Liebe Anja, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst! ErzÀhl doch mal zu Beginn ein bisschen von dir und deinem Lebensweg. Was hat dich am Thema Weiterbildung fasziniert und wie ist es dann zur Tomorrow Academy gekommen?
ZunĂ€chst mal: Ich komme aus einer PĂ€dagogen-Familie. Sowohl meine Oma und meine Mama waren Lehrerinnen, mein Papa hat ein Bildungsforschungsinstitut geleitet. Trotzdem wollte ich selber niemals Lehrerin werden â vielleicht war ich abgeschreckt durch zu viel Insider-Wissen đ Ich wollte immer in die Werbung, bin dann aber durch Zufall beim Fortbildungszweig des Art Directors Clubs in Berlin gelandet.
Dort habe ich festgestellt, dass es eigentlich eine wunderschöne TĂ€tigkeit ist, Leuten etwas beizubringen. Sie gehen meistens viel beschwingter, motivierter und inspirierter aus einer Fortbildung wieder raus, als sie reingekommen sind. Das hat mir dann doch gefallen â und im Gegensatz zu einer normalen Schule kommen meine TeilnehmerInnen ja auch freiwillig zu mir đ
Die Tomorrow Academy ist dann entstanden, weil ich aus privaten GrĂŒnden nach Wien gekommen bin und hier als frische Mama beruflich noch einmal neu anfangen musste oder durfte. Mit meinen ganzen Erfahrungen aus Berlin habe ich dann ĂŒberlegt: Wie mĂŒsste ein Weiterbildungsinstitut aussehen, wenn ich es selbst erfinden könnte? Wie soll es sich anfĂŒhlen, dort dabei zu sein, sowohl fĂŒr TeilnehmerInnen als auch fĂŒr DozentInnen? Das habe ich dann umgesetzt.
„Welche Skills brauchen die TeilnehmerInnen morgen und ĂŒbermorgen? Dieses Kristallkugel-Lesen ist gerade in Zeiten von AI eine sehr ungenaue Wissenschaft.“
Was bietet die Tomorrow Academy alles an und fĂŒr wen ist sie geeignet?
Als Provider von Lerninhalten muss man zwangslĂ€ufig in die Zukunft schauen: Welche Skills brauchen die TeilnehmerInnen morgen und ĂŒbermorgen? Dieses Kristallkugel-Lesen ist gerade in Zeiten von AI eine sehr ungenaue Wissenschaft. Daher bietet die Tomorrow Academy zwar handfestes Wissen und Fertigkeiten wir UX Design, Storytelling, Innovationsstrategien, Texten, Kampagnenstrategie und natĂŒrlich jede Menge KI-ZĂ€hmung als Workshop-Themen an. Aber wir versuchen darĂŒber hinaus auch immer, das kreative Mindset unserer TeilnehmerInnen anzusprechen und ihnen aus fast philosophischer (oder auch mal therapeutischer) Sicht den RĂŒcken zu stĂ€rken: Wie kann ich heute in AI-Zeiten noch kreativ sein? Wie kann ich meine KreativitĂ€t erhalten? Wie begegne ich Frust? Warum darf ich öfter mal auf meine Intuition hören? Gerade der Austausch hier ist ungemein wertvoll, von Fachwissen und Skills unabhĂ€ngig und bleibt den TeilnehmerInnen auch noch lange Zeit nach dem Seminar.
Die Tomorrow Academy sehe ich heute als Safe Space, in dem kreative Köpfe neues Wissen erwerben, Handwerkstechniken erlernen, jede Menge ausprobieren und sich nach ihren BedĂŒrfnissen weiterentwickeln können – um dann wieder gestĂ€rkt und voller neuer Ideen im eigenen Arbeitsumfeld VerĂ€nderungen voranzutreiben.
Worauf liegt dein Fokus und was ist dir besonders wichtig an deiner Arbeit?
Ich bin ein groĂer Fan der Kreativbranche â es sind hier nicht nur sehr kreative, sondern oft auch sehr schlaue Menschen am Werk, die sich blitzschnell in unterschiedlichste Problemstellungen hineindenken können. Gerade diese wachen Geister leiden darunter, wenn sie sich nicht entfalten können und immer gleiche AblĂ€ufe und Aufgaben haben. Mit der Tomorrow Academy möchte ich ihnen einen Ort bieten, wo sie wieder zu dem zurĂŒckkehren können, was sie dazu gebracht hat, diesen Beruf zu ergreifen: frei gestalten zu können. Unser Ziel ist es, dass die TeilnehmerInnen die Beziehung zu ihren kreativen FĂ€higkeiten erneuern, auf ein neues Level heben und den Glauben an ihre kreative Kraft stĂ€rken. Damit sie motiviert und inspiriert in ihren Arbeitsalltag zurĂŒckkehren können.
Welchen Stellenwert hat die Weiterbildung in deinem eigenen Umfeld? Gibt es Skills, die in der Zukunft besonders wichtig werden?
Ich selbst lerne natĂŒrlich jede Menge Details in unseren eigenen Workshops, weil ich so viel wie möglich selbst mit dabei bin. Perspektivisch versuche ich aber vor allem, den sperrigen Begriff Nachhaltigkeit mit der Kreativbranche zu verknĂŒpfen. Das ist Wissen, an dem in Zukunft kein Weg vorbeifĂŒhrt, weil Nachhaltigkeit und Klimaschutz in Zukunft Hygienefaktoren sein werden, kein USP mehr. Deswegen habe ich selbst vor 10 Jahren schon einen MBA in Sustainability Management gemacht und jetzt bei der Klimaschutzakademie einen Lehrgang mitgemacht, um mein Wissen wieder aufzufrischen und zu erweitern. Aktuell sehen wir extrem viele MarketingaktivitĂ€ten in Richtung Nachhaltigkeit â dahinter steht aber oft kaum wirkliche Substanz. Der letzte Schritt, nĂ€mlich die Kommunikation von Nachhaltigkeit, wird lange vor dem ersten gemacht â dem eigentlichen Umbau des Unternehmens. Das ist ein Denkfehler. Es wird extrem wichtig werden, dass Agenturen auf diesem Gebiet fit werden, um ihre Kunden gut zu beraten. Ansonsten passiert einfach jede Menge Greenwashing, das in Zukunft auch wesentlich stĂ€rker geahndet werden wird als heute. Aus diesem Grund bietet die Tomorrow Academy neben einem 4-teiligen Workshop auch oft kostenlose Kurz-Sessions an, die Themen wie âNew Green Rulesâ und âGreenwashingâ aufgreifen und das Wissen in die Breite tragen.
„Die groĂe Herausforderung wird sein, die Rollenverteilung zwischen Menschen und AI neu auszuhandeln und dabei die Menschen nicht zu verlieren.“
Was sind fĂŒr dich aktuell die gröĂten Herausforderungen fĂŒr die Kreativbranche?
Ich sehe die AI Revolution als absoluten Game Changer fĂŒr die Kreativbranche. Anfang 2023 hatte man das GefĂŒhl, dass die Branche in einer Art Schockstarre gefangen war, weil die Kreativschaffenden groĂe Angst hatten, von Maschinen abgeschafft zu werden. Diese Panik scheint sich zu Recht etwas gelegt zu haben. Trotzdem wird die groĂe Herausforderung sein, die Rollenverteilung zwischen Menschen und AI neu auszuhandeln und dabei die Menschen nicht zu verlieren. Denn die Möglichkeiten, durch AI schneller zu werden oder stĂ€ndig höhere QualitĂ€t zu produzieren, können auch sehr belastend sein. Die Aufgaben, die fĂŒr Menschen âĂŒbrigâ bleiben, sind wahrscheinlich oft nicht die, weswegen jemand ursprĂŒnglich diesen Beruf gewĂ€hlt hat. Es wird also sehr viel Wandel geben, sowohl innerhalb der TĂ€tigkeiten als auch in den Strukturen der Branche. Gerade Agenturen werden noch besser argumentieren mĂŒssen, warum sie und ihre Leistungen weiterhin so wichtig sind, wo eine schnelle Lösung aus Kundensicht doch vielleicht nur einen Prompt entfernt liegt.
Wie denkst du, kann man als Erwachsene Person noch sein Potenzial finden und entfalten?
Auch wenn es nach PlattitĂŒde klingt: Ich denke, das Wichtigste ist, immer neugierig zu bleiben. Nie zu denken âdiese Entwicklung mache ich nicht mehr mit, dazu bin ich schon zu alt.â Viele verschiedene, auch total verrĂŒckte und abstruse (Privat-)Interessen zu haben und in jeden Bereich davon ein bisschen mehr als oberflĂ€chlich einzusteigen, kann helfen, Verbindungen zu sehen, die selten jemand sonst erkennt. Kombinationen aus FĂ€higkeiten, die zuerst nicht viel miteinander zu tun zu haben scheinen, ist oft eine fantastische StĂ€rke. Es ist dann auch nicht nötig, in jedem einzelnen dieser Bereiche der oder die Beste zu sein, sondern schlichtweg eigene Leidenschaft mitzubringen und Themen sinnvoll vernetzen zu können. Manchmal muss die Zeit fĂŒr solche Connections erst kommen: Ich beschĂ€ftige mich auch schon seit 15 Jahren mit Werbung und Nachhaltigkeit, aber einen richtigen Need fĂŒr diese Cross-Expertise gibt es erst jetzt. Meine Empfehlung wĂ€re also, öfter mal Erich KĂ€stner zu lesen, der gesagt hat: âIch setze mich sehr gerne zwischen StĂŒhleâ
Hast du noch Tipps wie Unternehmen auch Innovationen der Zukunft auf die eigene Branche anpassen können und so ganz allgemein welche VerÀnderungen siehst du noch in der Zukunft der Kreativbranche? Wie siehst du persönlich das Thema KI?
Innovationen haben ja die unangenehme Eigenschaft, dass ihr Erfolg sich nicht wirklich planbar verhĂ€lt. Mein Tipp wĂ€re also vor allem, immer viele verschiedene BĂ€lle in der Luft zu haben â eine ganze Menge davon wird auf jeden Fall herunterfallen. Es hilft auf jeden Fall auch sehr, die Scheuklappen abzunehmen und sich nicht nur mit der eigenen Branche zu beschĂ€ftigen, sondern auch mal in fremden Branchen auf die Suche nach Innovationsstrategien zu gehen, die sich auf den eigenen Bereich umlegen lassen. Gerade auch in groĂen Konzernen wĂ€ren abteilungsĂŒbergreifende Teams sicher sinnvoll, was durch Design Thinking auch institutionalisiert versucht wird. Trotzdem gibt es da immer noch viel âGegeneinanderâ zwischen den Bereichen, die die EinfĂŒhrung von Innovationen schwieriger machen, als es sein mĂŒsste.
Das Thema KI ruft bei mir gemischte GefĂŒhle hervor. Ich finde die Möglichkeiten schon sehr spannend, bin aber auch ein groĂer Fan menschlicher KreativitĂ€t und des kreativen Handwerks. Die kreativen TĂ€tigkeiten werden sich wohl viel stĂ€rker zur Konzeption, Bewertung und Verbesserung von KI-Outputs hin wandeln â das ist sicherlich auch nicht fĂŒr alle ein möglicher oder akzeptabler Weg, die einmal einen Kreativberuf gewĂ€hlt haben. Wenn sich KI weiterhin so schnell oder vermutlich noch schneller als jetzt entwickelt, ist es relativ unmöglich, vorherzusehen, wo wir in 5 Jahren stehen werden. Ich denke aber, es wĂ€re fĂŒr Kreative durchaus sinnvoll, nicht nur KI Anwender zu sein, sondern sich eher mit dem Hintergrund zu beschĂ€ftigen und KI-Tools fĂŒr verschiedenste AnwendungsfĂ€lle anpassen zu lernen.
Vielen Dank fĂŒr das GesprĂ€ch! Hier noch die Kontaktdaten und der Link zu den Terminen:
Tomorrow Academy
info@tomorrowacademy.org
+43 699 19971600