Lieber Christian, danke, dass du dir die Zeit nimmst. Magst du mal erzählen zum Einstieg (wir kennen uns ja noch von JvM, du als Texter damals, ich AD), was dich damals zum Texten bzw. in die Agentur oder Kreativbranche gebracht hat?
Ich habe während meines Germanistik-Studiums ein Buch von Wolf Haas gelesen. Im Klappentext stand, dass er früher als Werbetexter gearbeitet hat. Bis dahin wusste ich gar nichts von der Existenz dieses Berufs. Ich wollte schon länger selbst schreiben, aber ein ganzes Buch habe ich mir nicht zugetraut. Für ein paar gute Sätze könnte es reichen, dachte ich mir, also habe ich mich für die Texterschmiede in Hamburg beworben.
Na schau, so schnell kann’s gehen ;) Was muss sich deiner Meinung nach ändern bzw. was hat dich damals dazu bewogen, nicht mehr in Agenturen arbeiten zu wollen? Und wie kam es dann zu deiner persönlichen Entwicklung hin zum Coach für Achtsamkeit und Meditation?
Ich hatte das Glück, mit richtig guten Leuten zusammenzuarbeiten, von denen ich viel gelernt habe. Das hat natürlich auch bedeutet, dass viel von mir verlangt wurde. Zudem hatte ich sehr hohe Ansprüche an mich selbst und mich zusätzlich unter Druck gesetzt. Nach ein paar aufregenden, aber auch wirklich fordernden Jahren war mir klar, dass ich einen Weg finden musste, besser mit Stress umzugehen, und so bin ich auf Meditation und Achtsamkeit gekommen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir schon ein paar Minuten Meditation pro Tag dabei geholfen haben, in stressigen Situationen gelassener zu bleiben. Nach mehreren Jahren intensiver Praxis hab ich mich dazu entschlossen, die Lehrer*innen-Ausbildung für MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) und später auch MSC (Mindful Self-Compassion) zu machen. Jetzt versuche ich das, was ich über den Umgang mit Stress gelernt habe, an Unternehmen weiterzugeben, in denen das auch ein Thema ist. Ich bin Scholz & Friends Wien und We Make Stories für die Offenheit dankbar, sich auf das einzulassen!
Super, finde ich auch! Dein Angebot mit https://www.gleichmut.at/ ist ja sehr spannend. Du gibst angeleitete Meditationen und Achtsamkeits-Seminare. Wie helfen diese in Unternehmen? Wie können wir auch als Individuelle davon profitieren? Und was ist deine Vision für die Zukunft?
Mit meinen angeleiteten Meditationen starte ich üblicherweise schon vor Beginn der regulären Arbeitszeit. Es fällt nicht allen Teilnehmer*innen leicht, dafür noch eine halbe Stunde früher aufzustehen, aber ich höre immer wieder, wie positiv sich die Meditation auf den Arbeitsalltag auswirkt: Man geht mit einem klareren Kopf an seine Aufgaben heran und fühlt sich dank mehr innerer Ruhe weniger schnell überfordert. Natürlich macht man trotzdem Fehler – Meditation ist ja kein Allheilmittel. Deshalb geht es bei meinen geführten Meditationen immer auch um Freundlichkeit, sich selbst und anderen gegenüber. Das Üben kann dabei helfen, auch in angespannten Situationen respektvoll mit seinen Kolleg*innen umzugehen. Dass sich das positiv auf die Arbeitsatmosphäre auswirkt, liegt auf der Hand.
„Achtsam zu sein bedeutet, den Stress erst einmal bewusst wahrzunehmen, ohne sofort darauf zu reagieren.“
Absolut, da hast du recht. Stressbewältigung im Alltag ist ja generell ein Thema, sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld. Wir sind ja auch immer mehr Einflüssen ausgesetzt, es fällt zunehmend schwer sich abzugrenzen. Welche Tools gibt es, um damit besser umzugehen?
Wenn wir unter Stress stehen, reagieren wir oft impulsiv und sagen oder tun Dinge, die wir später bereuen. Achtsam zu sein bedeutet, den Stress erst einmal bewusst wahrzunehmen, ohne sofort darauf zu reagieren. Ich mag die Zeilen von Wilhelm Busch: „Bist du wütend, zähl bis vier, hilft das nicht, dann explodier.“ Achtsamkeit verlängert sozusagen die Zündschnur. Und dieses bisschen mehr Zeit, das einem dadurch bleibt, anders auf die Situation zu antworten, ist ein erstaunlicher Freiheitsgewinn.
Es nehmen sich ja inzwischen immer mehr Menschen die Zeit zu meditieren. Das Feedback bekomme ich auch aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Im Alltag bedarf es oft nicht mehr als 15 – 30 Minuten fĂĽr die Ăśbungen. Die Mehrheit denkt aber immer noch “So viel Zeit habe ich nicht, das stresst mich nur zusätzlich” glaube ich … ist das nicht ironisch? Wie reagierst du darauf und ist deine Methode anders bzw. geht anders auf diese Menschen ein?
Mir ist total bewusst, dass z.B. eine halbe Stunde gar nicht wenig ist und viele einen so vollgestopften Kalender haben, dass oft gar kein Platz mehr dafür ist. Ich empfehle meistens, mit kurzen Einheiten – nur ein paar Minuten pro Tag – zu starten und die Dauer in kleinen Schritten zu erhöhen. In dieser Hinsicht ist Meditation auch mit anderen Arten des Trainings zu vergleichen. Wenn man die positiven Effekte, die das Meditieren hat, zu schätzen gelernt hat, ist man oft eher bereit, andere Aktivitäten, die einem nicht so guttun, zu reduzieren, und schon hat man sich eine halbe Stunde pro Tag fürs Sitzen freigeschaufelt!
„Der Geist lässt sich nicht auf Knopfdruck bändigen, sondern springt wie ein Affe von einem Objekt zum nächsten.“
Stimmt, babysteps! Aber halt anfangen, gell! Kann jeder meditieren, lernen oder muss man dafĂĽr eine Begabung haben?
Im Grunde ist Meditation sehr einfach: Man richtet die Aufmerksamkeit auf ein Objekt wie beispielsweise den Atem, und wenn man bemerkt, dass man abgeschweift ist, kehrt man wieder dorthin zurück. Wer das einmal ausprobiert hat, merkt aber schnell, dass es alles andere als leicht ist. Der Geist lässt sich nicht auf Knopfdruck bändigen, sondern springt wie ein Affe von einem Objekt zum nächsten. Das kann für Anfänger*innen sehr frustrierend sein. Deshalb finde ich das gemeinsame Meditieren und den Austausch darüber so wertvoll: Man merkt, dass man mit den Schwierigkeiten nicht allein ist und diese werden dadurch normalisiert. Ich halte mich wirklich nicht für einen begabten Meditierenden – monkey mind kommt regelmäßig zu Besuch –, aber vielleicht ist mein Talent, dass es mir gelingt, auch in Zeiten, in denen mir die Praxis nicht leicht fällt, dranzubleiben.
Vom 20. bis 22. Oktober findet im MĂĽhlviertel das Seminar „Freundschaft schlieĂźen mit sich selbst“. Mehr Infos ganz unten!
Du hast ja bald eine sehr schöne Veranstaltung geplant, mit einer Kollegin zusammen. Magst du uns kurz erzählen, worum es da geht? Gibt es noch freie Plätze?
Sehr gern! Die wunderbare Psychotherapeutin Marion Weiss-Döring und ich leiten vom 20. bis 22. Oktober im Mühlviertel das Seminar „Freundschaft schließen mit sich selbst“. Wir wollen mit unterschiedlichen Meditationen und Reflexionsübungen Ressourcen aufbauen, um uns auch in herausfordernden Zeiten mit Wohlwollen zu begegnen. Es wird auf jeden Fall auch genug Gelegenheit geben, beim Yoga und bewusstem Gehen in der Natur zu entspannen – die Gegend ist wirklich richtig schön! Ein paar Plätze gibt es noch, und es sind auch Menschen ohne Meditationserfahrung herzlich willkommen!
Alle Infos findet man hier: https://www.gleichmut.at/aktuelles-seminar/