„Die Menschen wählen autoritäre Typen mit einfachen Antworten, weil die Welt immer komplizierter wird.“
Sieben Jahre Wahlkampf:
List, Lust und Kampfgeist.
Was ich in sieben Jahren Wahlkampf, nach zwei Niederlagen und einem Sieg über Politik gelernt habe. Und warum ich die wichtigste Erkenntnis Charles M. Schulz und den Peanuts verdanke.
Gehen die USA gerade unter wie das antike Rom? Sind die liberalen Demokratien der westlichen Welt ein Auslaufmodell? Die Römische Republik zerfiel aus vielen Gründen: Der Staat wurde überbordend und chaotisch. Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten wucherten wie Geschwüre und die Bürger verloren das Vertrauen in das System. Die Republik geriet nach und nach in die Hände von Tyrannen und Demagogen.
Kommt uns das bekannt vor? Ja, und wir müssen nicht nach Amerika schauen, um die Muster zu erkennen. Die letzte Nationalratswahl in Österreich, Orban kommt Rosenkranz im Parlament besuchen, die AfD in Deutschland, der Krieg gegen die Ukraine. Die Menschen wählen autoritäre Typen mit einfachen Antworten, weil die Welt immer komplizierter wird.
Politik ist vielen zu anstrengend. Und Wahlkämpfen ist noch viel anstrengender. Das weiß ich aus drei Kampagnen für den Salzburger Bürgermeister Bernhard Auinger. Erst beim dritten Anlauf 2024 haben wir das Ziel erreicht: die Nummer 1 werden mit einem Sozialdemokraten in einer durch und durch bürgerlichen Stadt.
2017) Erster Anlauf: knapp daneben.
Es begann mit einem Gerichtsurteil, das viele nicht verstehen konnten: Am 28. Juli 2017 wurde der damalige Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden wegen Amtsmissbrauch verurteilt. Er trat zurück. Laut Stadtrecht musste zwei Jahre früher gewählt werden als geplant. Statt zwei Jahren für den Markenaufbau mit unserem Kandidaten Bernhard Auinger hatten wir etwas mehr als zwei Monate zur Verfügung. Ergebnis: der ÖVP-Vizebürgermeister Harald Preuner gewann mit 294 Stimmen Vorsprung gegen Auinger. Meinen ersten Wahlkampf verloren. Sehr knapp, sehr schmerzhaft.
2019) Zweiter Anlauf: total daneben.
Modefarbe Türkis. Sebastian Kurz am Höhepunkt seiner Popularität. Die Schwarzen in der Stadt sind im Aufwind. Wir machen strategische Fehler, setzen auf Wohlfühlwahlkampf statt auf Sachthemen und weichen von unserer eigenen Strategie ab. Selber schuld, kein Mitleid.
2024) Dritter Anlauf: Punktlandung.
Irgendwann Anfang 2023: Plötzlich ist es da, das Momentum, also der Rückenwind, der uns bei den ersten beiden Versuchen gefehlt hat. Es läuft. Wir arbeiten nach Plan, landen Punkt für Punkt, die anderen machen Fehler, wir beziehen einen klaren Standpunkt in Sachen S-Link, die anderen lavieren herum. Der Sozialdemokrat Auinger und der Kommunist Dankl gehen in die Stichwahl um den Salzburger Bürgermeister. (Das muß man sich einmal vorstellen: im konservativen Salzburg!). Auinger gewinnt haushoch. Passt.
Was ich in diesen sieben Jahren gelernt habe:
– Dein Produkt ist dein Spitzenkandidt und sein Plan, die Zukunft von 150.000 Menschen zu gestalten.
– Die Zukunft zu gestalten ist mindestens so spannend wie Texte und Layouts zu gestalten. Oder viel spannender.
– Verlass dich nicht nur auf deinen Bauch, sondern auf Daten.
– Bleibe bei deiner Strategie, aber überprüfe jeden Tag deine Taktik.
– Triff dich jeden Tag um 08:00 Uhr mit deinem Kernteam und sei aufrichtig, aber respektvoll.
– Wenn das Momentum gegen dich läuft, kannst du nicht viel tun, außer deinem Plan treu zu bleiben. Und das Momentum wird oft gegen dich laufen, die Presse wird dich runterschreiben, die Bundes-SPÖ wird Excel-Dateien falsch auswerten und so fort.
– Kreativität alleine ist nicht die Lösung.
– Eine authentische Positionierung, straffe Prozesse, hohes Tempo, gute Pressearbeit, viel Geduld und Kampfgeist sind die Lösung.
– Und erst wenn das alles passt, kann Kreativität den entscheidenden Unterschied machen.
– Dann kommt es auf jedes Wort an, jedes Bild, das Grading in deinem Video und auf jedes Detail beim Styling.
– Peter Rigaud und Theresa Kaindl als Fotograf*innen an Bord zu haben, kann auch nicht schaden.
Der 10-jährige Joel Linton schrieb im Rahmen eines Klassenprojekts an den Erfinder der Peanuts Charles M. Schulz und fragte ihn: „Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Bürger aus?“
Charles M. Schulz antwortete:
Lieber Joel,
ich denke, es ist heute schwieriger als je zuvor, zu definieren, was einen guten Bürger ausmacht. Natürlich können wir alle nur unserem Gewissen folgen und den Glauben an unsere Demokratie bewahren.
Manchmal sind es gerade die Menschen, die am lautesten eine Rückkehr zu den sogenannten „amerikanischen Tugenden“ fordern, denen dieser Glaube an unser Land fehlt. Ich glaube, dass unsere größte Stärke immer im Schutz der Schwächsten in unserer Gesellschaft liegt.
Dein Charles M. Schulz
Es geht darum, woran wir glauben, was uns richtig erscheint, es geht um unsere Überzeugungen, aber auch um List, Lust und Kampfgeist. Oder wie es Walter Scheel, deutscher Bundespräsident von 1974-1979, sagte: »Es kann nicht die Aufgabe eines Politikers sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun. Aufgabe der Politiker ist es, das Richtige zu tun und es populär zu machen.«
Das Richtige tun und es populär zu machen – klingt doch verlockend, oder? Sind es nicht gerade die Kreativen, die das besonders gut können? Ist nicht das unsere Superkraft als Werber, Designer, Strategen und Programmierer? Und ist es nicht genau das, was eigentlich am meisten Spaß macht in unserem Job? Das Richtige tun und es populär zu machen: gerade jetzt, gerade in Zeiten wie diesen.
Welchen Wert schaffen Kreative und Agenturen heute? Einen ziemlich unbezahlbaren, würde ich sagen: Wenn wir es schaffen, die Demokratie zu schützen, zu erneuern, den richtigen Leuten zum Sieg zu verhelfen und gemeinsam die Lösungen zu finden für die großen Herausforderungen unserer Zeit. Sieben Jahre Wahlkampf waren für mich immerhin ein Anfang.