Wenn Kreativität auf der Strecke bleibt – ChatGPT und der Anwendungsfehler.
Künstliche Intelligenz spaltet die Branche. Während die Einen hypen, fühlen die Anderen sich bedroht. Grauzonen sucht man hier, wie in den meisten Bereichen des Lebens vergebens. Wann haben wir aufgehört, aus kleinen Ideen Großes machen zu wollen? Und was macht das permanente Nutzen von KI mit unserem eigenen Antrieb? Eine persönliche Momentaufnahme aus der Sicht eines Schreibers.
Pragmatismus ist keine Eigenschaft, die man unbedingt Kreativen nachsagt. Doch seitdem KI weiter fröhlich seinen Einzug in die Medienwelt feiert, werden Aufwände oft in Frage gestellt, wie wir es eigentlich nur von echten Berufs-Pragmatikern erwarten: Beratern zum Beispiel.
“Das ist nur intern, mach das doch mit ChatGPT”, “Das sind nur Headlines, jage das doch mal durch ChatGPT” – unter dem Deckmantel der Aufwandsreduzierung läuft hier etwas ganz anderes ab: die Alltags-Lethargie. Warum das eigene Gehirn anstrengen, wenn der neue Freund und Helfer, der stets die Konversation mit “Hey Champ” oder anderen Schmeicheleien beantwortet, die Aufgabe für einen erledigen kann?
Wo Kommunikation eh schon rar gesät wird, folgt nun das Streuen von Angst
Abschreiben erwünscht, will man meinen, wenn man sich die Einstellung vieler Führungskräfte und die Entwicklung in so manchem Unternehmen ansieht. Unsicherheit macht sich wie ein Flächenbrand breit, regelrechte Panik ist zu spüren. Grund hierfür ist vor allem die Tatsache, dass viele Unternehmen ihre Mitarbeiter auf ihrer Euphoriereise in die Zukunft nicht mitnehmen. Wie soll Motivation für etwas geschaffen werden, wenn das Team nicht über Mission, Neuorientierung oder einfach bloße Optimierungen aufgeklärt wird? Und das Gefühl entsteht, dass der eigene Job durch das Einführen von Automatismen plötzlich auf der Kippe steht? Wo Kommunikation eh schon rar gesät wird, folgt nun das Streuen von Angst. Alle sehen die Gefahren in den mittlerweile gar nicht mehr so neuen, aber sich stetig weiterentwickelten Technologien, dabei gehen die größten von uns selbst aus: Viele verlassen sich auf ChatGPT und Co. blind. Die KI ein- und das Gehirn ausschalten. Der verlässliche Buddy hilft schließlich auch im Privaten bei weltbewegenden Fragen, warum nicht auch bei der Copy. Und wenn das der Vorgesetzte so möchte, wird das schon richtig sein.
Man könnte von einem Anwendungsfehler sprechen: Die, die eh schon “faul” waren, fahren mit dem Tool konstant auf Sparflamme und drücken den geringen Anspruch gehörig runter. Die ewig Unzufriedenen der Branche, die immer alles noch ein bisschen besser machen wollten, scheinen fast ausgestorben. Der klassische deepl-Effekt: eingeben, übersetzen lassen, copy+paste, nicht weiter drüber nachdenken, statt den Wortschatz zu fordern.
Dabei sollten Tools Unternehmen doch eine Ergänzung bieten, um Prozesse zu vereinfachen, Zeitraubendes zu straffen, aber von Kreation in diesem Sinne war nie die Rede. Oder hat mich diese Utopie noch nicht erreicht? Dass KI kein Alleskönner ist, ist nicht neu, hinter jedem guten Prompt will die Frage aus Menschenhand präzise gestellt sein. Exzellenz trennt auch hier die Spreu vom Weizen, eine präzise Ausdrucksweise macht den Unterschied. Und dennoch steht am Ende im gedanklich Kleingedruckten “In der Zeit, indem der Befehl für diesen Prompt erstellt wurde, hätten richtig gute Headlines entstehen können”.
Alles entwickelt sich und bestenfalls entwickeln wir uns auch weiter
Die neue Form des Pragmatismus lässt Skills und Profile verschwimmen. Mitarbeiter werden zu Alleskönnern und sollen auch alles machen. Wenn wir uns, im ganz schmalzig romantischen Sinne dem Kreativen und seiner Aufgabe widmen, stellt sich mir die Frage, wie befriedigend seine Arbeit am Ende des Tages ist. Wenn nicht Kopf und Bauch über den Wert einer Idee entscheiden, sondern eine KI abliefert. Innovationen und Technologien etablieren sich, doch wann wird die Grenze zur eigenen Leidenschaft überschritten? Wo Chancen bestehen, sind die Risiken nicht weit. Und wenn sich alles entwickelt, entwickeln wir uns bestenfalls auch weiter. Indem wir konstant daran arbeiten, besser zu werden. Knackiger zu schreiben und jeder noch so kleinen Idee den letzten Schliff zu verleihen. Für große Auftritte, auch im kleinen Kreis.
Ich wurde kürzlich gefragt, wie fit ich in AI sei. Das wäre keine Fangfrage. Impliziert diese Formulierung nicht schon bereits, dass man durch einen möglichen Mangel an diesen Skills ausgegrenzt werden könnte? Müssen wir uns plötzlich schämen, wenn wir nicht zu den Toplevel-KI-Performern gehören? Und falls ja, oute ich mich hiermit feierlich: Ich verwende bei meiner Arbeit kein ChatGPT. Warum sollte ich etwas, das mir Spaß bereitet, von einem Bot ausführen lassen?