„Ein selbsternanntes Genie ohne jegliche Eigenleistung, denn prompten, nein, das kann er nicht wirklich.“
Willkommen in der Verwandtschaft
Oh du Schreckliche: Wie ChatGPT auch die Familienstruktur auf den Kopf stellt und die KI einen neuen Feind in den eigenen Reihen kreiert, den man zukĂĽnftig ghosten wird. Ein sch(m)erzhafter RĂĽckblick. Â
Dieses Weihnachten wird anders. So gesellen sich am Tisch nicht nur der ungezügelte Nazi-Opa, den man aus den schönsten Paulanergarten-Anekdoten kennt, die Mutter, die einen „wenigstens an Weihnachten“ zum Fleisch bekehren möchte oder die Tante, die die tickende Zeit gern mit ihrer Zunge schnalzt und die Kinderfrage unerbittlich stellt. Vielleicht ist er auch einer der genannten, der an Nervigkeitsniveau gewann: der ChatGPT Freund, der regelmäßig auch KI-Videos auf dem Leim geht und sich nicht von deren mangelnden Wahrheitsgehalt überzeugen lässt. Der einem jede Frage des Lebens mit Phrasen aus dem Potpourri an Wwwweisheiten inklusive Gedankenstriche beantwortet.
Mit einer Eloquenz, die selbst Reality-Sternchen in ihren fĂĽnf Glanzminuten in den Schatten stellt.
Ein selbsternanntes Genie ohne jegliche Eigenleistung, denn prompten, nein, das kann er nicht wirklich. Er stellt genau dieselben Fragen, die er sich einst durch Reddit- und Gesundheitsforen beantworten ließ und krönt jede nicht erlebte Lebensanekdote mit dem passenden KI-Bild.
Und auch beim Liebesleben kennt er kein Erbarmen, die erste Nachricht an den Flirt kommt ebenso von ChatGPT, wie das schmalzige Schlussmachen. Ebenso theatralisch sind seit neuestem die Töne, die er in Streitsituationen anschlägt und einem mit einer plötzlichen Eloquenz begegnet, die selbst Reality-Sternchen in ihren fünf Glanzminuten in den Schatten stellt. Hartnäckiger als die Vorwürfe einer Mutter, hält er sich auch in den Familienchats, von denen ich bisher verschont blieb, und grüßt regelmäßiger als das Murmeltier mit Wahnwitzigem, dessen Humor nur er wahrer Freund ist.
Das neue Jahr präziser prophezeien als von einer Dame mit Tarotkarten im offenen Kanal.
Und nun sitzt man hier mit ihm, lässt über den wahren Wert von Weihnachten sprechen, erfährt live erfragte Gegenstimmen bezüglich das vor kurzem gestochene Tattoo – zu spät, es ist doch zu spät… – und lässt sich das neue Jahr präziser prophezeien als von einer Dame mit Tarotkarten im offenen Kanal.
Doch man kann ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen, so wie er unsere Nerven tagtäglich malträtiert: mit Behauptungen wie seine, hier ein wenig Inspiration:
1. Der ChatGPT Wrap-up wird in wenigen Tagen geleaked: Das hebt man sich vielleicht für den besonders harten Tischmoment an der Weihnachtstafel auf, man möchte den Guten ja nicht gleich vom Stuhl direkt ins Krankenhaus befördern. Es ist das Ass im Ärmel, was gezogen werden darf, inklusive finsterer Miene und sorgenvoller Falten, also bitte ausnahmsweise auf die frisch gebotoxte Mainstream-Stirn verzichten, der Glaubwürdigkeit wegen.
2. Der Flirt erhält eine nachträgliche Nachricht von ChatGPT: Mit besten Grüßen versteht sich und dem guten Gefühl, nicht vom einfallslosen Menschen, sondern der KI abserviert worden zu sein.
3. Das KI-Propagandavideo von Putin war kein Fake: Wie schnell baut man nochmal einen Bunker und werden wir damit noch vorm dritten Weltkrieg fertig? Ich höre schon seine Handytastatur knistern vor Glühen. Am besten, wir fangen gleich nach dem Dessert damit an, bevor wir das Erbe aufteilen.
4. ChatGPT ist ein Mann: Oh, das üble Patriarchat, von dem lassen wir uns doch nichts sagen, womöglich ist er noch weiß und alt.
Und nĂĽtzt das alles nichts und die Person nervt immer noch am Weihnachtstisch, hilft nur, die Flucht zu ergreifen und auf langen Gedankenstrichen nach Hause zu reiten. In diesem Sinne: besinnliche Weihnachten.