„Wir sind ständig Codes und Symbolen ausgesetzt und meine Lieblingsherausforderung besteht darin, all diese zusammenzufĂĽgen und eine Geschichte zu kreieren, die unsere Umgebung entschlĂĽsselt.“
Die Zeichen waren schon immer da!
Neulich war ich zu einer Dinnerparty, oder besser gesagt einem ausgedehnten Brunch, eingeladen und saĂź jemandem gegenĂĽber, dessen Arm mit Tätowierungen verschiedener Pilzarten bedeckt war. Wir kamen ins Gespräch. FĂĽnf Minuten später teilte jeder am Tisch Meinungen rund um Pilzarten mit, woraufhin sich eine lange Debatte ĂĽber das HBO-Phänomen „The Last of Us“ entfaltete, gefolgt von einer Diskussion ĂĽber das Sammeln von Morcheln und Schwammerln. Kurz darauf wurde ein Bild von Stella McCartneys Modekollektion rund um Moose und Pilze gezeigt. Am Ende lachten die Leute auf der Couch ĂĽber eine Geschichte von einem missglĂĽckten Trip mit magic mushrooms.
Keine Sorge, dies ist keine Einführung zu einem flachen Witz darüber, wie die Pilze die Gespräche des Abends „infiziert“ haben. Es ist vielmehr eine schnelle Demonstration darüber, wie ich manchmal die Welt, unsere Kultur und tatsächlich die Märkte, in denen sich relevante Marken zurechtfinden, erkunde.
Ich nehme Zeichen rundum eine Idee auf und betrachte sie aus jeder möglichen Perspektive. Ich spreche mit Menschen, die mehr über ein Begriff wissen, als der Durchschnittsbürger. Ich erforsche, wie dieses Konzept in verschiedenen Kategorien und Teile der Gesellschaft lebt. Gibt es grad dazu was in der Modewelt, kommt es in Filmen oder Serien vor, sprechen Marken darüber? Ich höre Podcasts, Interviews und lese darüber. Ich stelle Fragen und ich höre zu. Bis die Zeichen, die zusammenkommen, zu einem Muster führen, das Sinn ergibt.
FĂĽr mich ist das angewandte Semiotik. Applied Semiotics ist eine Disziplin, die Zeichen, Symbole, Sprache und Geschichten auf ihre tiefere kulturelle Bedeutung untersucht.
Wir sind ständig Codes und Symbolen ausgesetzt und meine Lieblingsherausforderung besteht darin, all diese zusammenzufügen und eine Geschichte zu kreieren, die unsere Umgebung entschlüsselt.
Es ist eine Form der Forschung, die über das hinausgeht, was Verbraucher wissen oder glauben zu wissen. Es ist vielmehr eine Methode, um zukünftige Strategien für kulturell relevante Kampagnen und Positionierungen festzulegen. Heute verstehen, um morgen voraussagen zu können.
„Sensibilität“, „Selbstbewusstsein“, „Gehörtwerden“, „VergnĂĽgen“, „Heldenhaftigkeit“, „Luxuriöse Nachhaltigkeit“ – dies sind einige der Begriffe, die ich neulich fĂĽr Kunden entziffern durften und die, fĂĽr eine gewisse Zeit, viel Platz in meinen Gedanken ĂĽbernommen haben. Manchmal habe ich die Zeit und das Budget, um aufregende Orte zu besuchen und zu beobachten, wie sich ein Konzept um mich herum entfaltet. In anderen Fällen analysiere ich Kultur aus der Ferne, tauche in Longreads ein, blättere durch Zeitschriftenseiten, lade relevante Experten zum Mittagessen ein, schaue Dokumentationen und betrachte stundenlang Werbung und Aktivierungen, die diese Konzepte zum Leben erwecken.
Die meiste Zeit, wenn man sich für ein Konzept für eine Weile konzentriert, öffnet sich eine neue Welt und man beginnt, dieses Konzept überall zu sehen. Das nennt sich Baader-Meinhof-Phänomen oder Frequenzillusion, also wenn man etwas gerade erst gehört hat und es plötzlich überall auftaucht. Aber während dieses Phänomen unbewusst geschieht, halten wir in der angewandten Semiotik bewusst inne und denken über Dinge nach, die unsere Aufmerksamkeit grad auf sich ziehen.
In gewisser Weise macht die Analogie eines Pilzes doch Sinn. Immer wenn ich ein neues Projekt starte, tauche ich vollständig darin ein und für ein paar Wochen wird alles um mich herum von diesem bestimmten Thema erfasst. Die zugrunde liegende Bedeutung dessen wird zu einem „Think Piece“, einer logischen, leicht zu folgenden Geschichte, die eigentlich nur ein neues Licht auf eine Wahrheit wirft, die dann schwer zu übersehen wird. Eine Wahrheit, die man nicht anzweifeln kann, denn die Zeichen waren schon immer da.