Good At Kolumne: Michael Leonhartsberger

Michael Leonhartsberger, Freelance Lettering Artist, Designer und Musikenthusiast, hat sich in seinen Anfängen intensiv mit der Frage beschäftigt, wie man ein Gespür für Typografie entwickelt. In seiner Kolumne teilt er wertvolle Impulse zu dieser Frage. Erfahre mehr und hol dir Inspiration für deine persönliche Weiterentwicklung.
„Je mehr man gestaltet, desto besser werden grundlegende Prinzipien verinnerlicht.“

Develop your Typographic-Taste
Wie du durch Beobachtung dein Gefühl für gute Typografie entwickelst und deine Fähigkeiten auf ein neues Level hebst

In der Gestaltung spielt die Typografie eine tragende Rolle. Die Fähigkeit, Schriftarten richtig auszuwählen und einzusetzen, ist essenziell für ein ansprechendes, gelungenes Design. Aber wie entwickelt man dieses feine Gespür für Typografie?

Diese Frage habe ich mir selber lange gestellt und rĂĽckblickend finde ich einige Impulse dazu sehr hilfreich.

Wie man lernt

In der Psychologie tauchte in den 1960ern erstmals das 4 Phasenmodell des Lernens auf.
(Management of Training Programs, 1960)

Es beschreibt das Lernen in 4 Stufen:

1. Phase: unbewusste Inkompetenz
2. Phase: bewusste Inkompetenz
3. Phase: bewusste Kompetenz
4. Phase: unbewusste Kompetenz

Als Neuling interagiert man oft relativ naiv und unbekümmert. Es existiert kein Fachwissen und es wird einfach ausprobiert, ohne das Ergebnis anhand gelernter Kriterien bewerten zu können. Jeder hat schon einmal eine „selbstgemachte Geburtstagseinladung dieser Art gesehen.“… In Ausnahmefällen jedoch kann es auch von Vorteil sein, wenn man komplett unvoreingenommen an eine neue Sache herangeht.

Durch die intensivere Auseinandersetzung mit der Gestaltung und Typografie folgt dann die nächste Stufe: die bewusste Inkompetenz. In unserem Fall: „Wir nehmen wahr, dass das, was wir gestaltet haben, nicht so gut ist, wie wir es gerne hätten.“ In dieser Phase ist wichtig, die Grundregeln zu lernen, an den eigenen Fähigkeiten zu arbeiten und viel zu gestalten – sich immer wieder kreativen Gestaltungsherausforderungen zu stellen. Das kann im Agenturalltag auch die „60 Seiten Broschüre“ sein, bei der man viele Informationen unter einen Hut bringen muss und lernt, mit verschiedenen Schriftgrößen umzugehen.

Je mehr man gestaltet, desto besser werden grundlegende Prinzipien verinnerlicht. Im Kern geht es immer darum, Hierarchien durch Kontraste zu setzen und das Wichtigste hervorzuheben.

In der dritten Phase befindet man sich schließlich in einem Bewusstsein über die eigenen Fähigkeiten und kann somit auch die eigene Arbeit kritisch beurteilen.

In der vierten Phase wird nunmehr intuitiv und unbewusst gestaltet. Was beim Autofahren beispielsweise zu Beginn eine Totalüberforderung war – gleichzeitig auf Verkehr, Personen und das Schalten zu achten – geht irgendwann in Fleisch und Blut über.

Wenn wir uns jetzt gestalterisch und typografisch weiterentwickeln wollen, sind folgende Gedanken dazu hilfreich:

Shit input = Shit output

”Art is an image-using System. In order to create, we draw from our inner well.“ – Julia Cameron, 1992, The Artist’s Way

Um einen guten Geschmack für Typografie zu entwickeln, muss man sich zuerst mit guten Dingen füllen. Julia Cameron vergleicht in ihrem Buch: „The Artist’s Way“ das kreative Repertoire mit einem Brunnen. Dieser muss regelmäßig gehegt und gepflegt werden, damit er nicht austrocknet und wir immer wieder daraus schöpfen können.

Inspiration

Auf unsere Kreativität angewandt bedeutet das, viele unterschiedliche Eindrücke zu sammeln, nach qualitativen Inspirationsquellen zu suchen und diese wie ein Schwamm aufzusaugen.

Es lohnt sich Screenshots und Inspirationen abzuspeichern oder Material in physischer Form zu sammeln. Ich habe mir vor einigen Jahren ein „Inspirationsbuch“ drucken lassen, das alle meine Screenshots und Bildern von Illustrationen, Schriftzügen, Plakate, Logos und Cover-Designs beinhaltet. So sind meine Favoriten immer griffbereit.

 

Weitere Inspirationsquellen:

  • Publikationen zum Thema Typografie: Yearbook of Lettering, the History of Graphic Design, Thinking with Type, …
  • fontsinuse.com – hier werden Schriften katalogisiert und verlinkt
  • Magazine: Stackmagazines, Page Magazin
  • Typografieworkshops besuchen
  • Ins Museum gehen
  • Fontstand Schriftenmanager: Mit diesem Programm kann man Schriften ausleihen und fĂĽr ein paar Stunden testen, ohne sie kaufen zu mĂĽssen.
  • Viele Inspirationen und gute Schriften findet man bei unabhängigen Type-Foundries. Bsp. Letters from Sweden, KlimType Foundry, Grilli Type, Zetafonts, New Letters, …
Beobachten

Nachdem wir Inspirationen gesammelt haben, profitieren wir mehr davon, wenn wir diese genau beobachten.

”In Articulation we gain clarity.“ – Chris Do

Durch die Artikulation, das Benennen und Beschreiben bekommen wir Klarheit. Genaue Beobachtung und Analyse helfen uns dabei, unser Handwerk besser zu verstehen.

Bessere Fragen stellen

”If you deeply observe, everything is your teacher.“ – Qasim Chauhan

Nimm dir bewusst Zeit und beobachte deine Umgebung. Analysiere, was dich anspricht und warum. Egal ob es ein Magazin ist, eine Website, ein Plakat, Kunst im Museum oder die Natur. In Bezug auf die Typografie kannst du dir dabei folgende Fragen stellen:

Welche Schriftarten werden verwendet?
Wie sind sie angeordnet? Welche Wirkung erzeugen sie?
Warum gefällt mir dieses Design?
Was fĂĽhle ich dabei?
Wieviele Gestaltungselemente sind vorhanden?
Gibt es mehrere Hierarchie-Ebenen?
…

Es mag anfangs herausfordernd erscheinen, so viele Fragen zu stellen, aber mit der Zeit wirst du feststellen, dass deine Beobachtungsfähigkeiten geschärft werden. Du entwickelst ein Gespür dafür, was funktioniert und was nicht. Wie in dem Zitat erwähnt, kannst du von allem, was dich umgibt, deine Schlüsse ziehen. Schau einfach hin.

Interpretation & Anwendung

Zusätzlich wird das Lernen durch Begeisterung und Spaß beschleunigt. Im Jahr 2020 habe ich eine Poster-Challenge ausprobiert und täglich ein Poster gestaltet. Daraus sind insgesamt rund 70 Poster entstanden. Durch die zeitliche Begrenzung, das aktive Umsetzen und die Herausforderung, ständig Neues auszuprobieren, habe ich viel dazugelernt.

Man kann auch gezielt Dinge, die einen ansprechen, nachbauen und imitieren. Wichtig ist dabei allerdings, diese Arbeiten nicht als eigene auszugeben.

Eine weitere Hilfe kann sein, sich über die Schulter schauen zu lassen und jemanden, der mehr Erfahrung hat, um Feedback zu fragen. Wir haben alle einen anderen Blickwinkel und können voneinander lernen.

Zusammenfassung

Besser zu gestalten funktioniert nur, wenn man es tut und Zeit darin investiert. Dazu sind hier noch einmal grob hilfreiche Schritte zusammengefasst, wie du leichter lernen und dich kreativ und typografisch verbessern kannst:

  • Lerne typografische Grundlagen
  • Sammle qualitative Inspirationen (online & offline)
  • Beobachte genau
  • Analysiere und stelle gute Fragen
  • Lerne aus den Erkenntnissen
  • Have fun!

 

Also, nimm dir Zeit zum Beobachten, analysiere und entwickle so nach und nach mit Begeisterung dein GespĂĽr fĂĽr Typografie.

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