Du bist seit knapp 30 Jahren durchgehend im Bereich Art Direction & Branding tätig – in einer Welt voller Wandel, warum bist du dabei geblieben?
Die Neugierde hat mich nie losgelassen, das geht in meinem Job so gut, das damals noch sehr verpönte „Job Hopping“, in sich unterschiedliche Bereiche oder Agenturen alle 2 – 3 Jahre wechseln, war für mich das Beste. Auch deshalb bin ich heute, wenn es erforderlich ist, eine recht gute „One-Man-Army“ und jemand, der einen klaren und kühlen Kopf bewahrt.
„Wenn ich Leute sagen höre: „Das haben wir schon immer so gemacht“, da bekomme ich die Krise.“
Im Umkehrschluss hast du ja auch recht jung mit purer Neugier deine Karriere gestartet, also schon während des Studiums. Woher wusstest du, wo dein Potenzial liegt?
In der Schule habe ich mich schon mit Kunst und Gestaltung beschäftigt, ich konnte Hand und Kopf gut verknüpfen, meine Lehrerin hat früh mein Potenzial erkannt und mich da gefördert. Ich würde sagen, ich bin stets den Rufen gefolgt, es gab keinen großen Lebensentwurf – ich wurde auch noch nie gekündigt – das Interesse war stets da für die Aufträge bzw. Inhalte!
Weil du sagst, den Rufen stets gefolgt, wie ist der Unterschied von heute zu damals, worin hättest du gesagt „das kann ich“, mit knapp 20 und im Vergleich, jetzt mit 50?
Mein Studium ging um Inhalte & Gestaltung, da habe ich ein Verständnis bekommen für Problemlösungen. Ich würde sagen anfangs war ich gut darin gestalterische Probleme zu lösen, dann ging es darum Werbe-Probleme zu lösen, später Marketing-Probleme zu lösen. Jetzt im BRANDING beschäftige ich mich nicht mehr mit Problemlösung, sondern mit Visionen, ein gemeinsames Gefühl für eine Marke zu schaffen, mit dem alle arbeiten können.
Ich weiß heute und das kann ich auch gut: Ich muss andere Leute ran lassen. Mir ist bewusst, dass ich eine „aussterbende Art“ bin, mit meinem Stil kann ich natürlich noch Menschen beeindrucken und mich selbst (lacht), aber 20-Jährige für die ist das nicht relevant. Alle meine Kolleg:innen sind jünger als ich und bekommen die Möglichkeiten es anders zu tun, selbst mein Chef ist um vieles jünger. Wenn ich Leute sagen höre: „Das haben wir schon immer so gemacht“, da bekomme ich die Krise.
Wie setzt du diese Überzeugung um, also was bedeutet das für dich als Brand Strategist bei AlphaTauri, wo setzt du deine Vorstellungen um und wo gibst du an andere ab?
Als ich eingestiegen bin, 2018 haben wir erst einmal mit der Innensicht, der Konzernsicht begonnen – Red Bull ist natürlich eine eigene, sehr bekannte Brand, das war wichtig. Dann ging es im Branding darum, alle Touch Points zu identifizieren und selbstähnlich zu machen. Wie schaut das Paket aus, das Etikett, welche Richtlinie gibt es bei Produkt-Retouren, wie sieht es im Store aus und vieles mehr. Das habe ich im Austausch mit den Teams entwickelt, harmonisiert und exekutiert…
„Man sollte Leute engagieren, die engagiert sind. Das Ziel ist das Ziel, ich halte wenig von dem Spruch: Der Weg ist das Ziel.“
Aha, heißt das also gute Brand Strategy ist wie ein roter Faden den du, oder der sich durch die Marke zieht?
Gute Frage, für mich nicht, denn ein roter Faden hat so einen zwingenden Charakter. Bei Brand Strategy geht es eher darum, ein gemeinsames Gefühl zu entwickeln, was liegt innerhalb der Leitplanken und was ist außerhalb. Meine Aufgabe ist es, einen nachvollziehbaren Korridor zu bauen, in dem sich alle frei bewegen dürfen, so wie sie wollen, wie sie es für richtig halten – und eben nicht ein Faden, dem jede:r folgen muss.
Am Ende geht es darum: Jede und jeder soll verstehen, was ist ein Problem, wo sie sich melden sollen und was kann er/sie alleine lösen? Es gibt ganz viele Sachen, von denen ich nichts weiß und die trotzdem passen. Generell sind alle angehalten die Marke AlphaTauri zu verstehen und daraus für ihren Bereich abzuleiten: „Für mich mache ich es also so“, innerhalb des Korridors. Diese Arbeitsweise funktioniert wirklich sehr gut, manchmal braucht es eine kleine Manöverkritik, aber das gehört dazu. Auch bei neuen Mitarbeiter:innen, die bekommen dann alle so eine Art „Hinweistafel“, die den Korridor aufzeigen.
Bleiben wir gleich bei der Metapher von Wegweisern, was macht dabei gutes Leadership aus? Wie schafft man das, diese Leitplanken umzusetzen?
Zuhören und verstehen, was genau die Herausforderungen sind, die die andere Person hat. Es gibt auch autoritäre Zugänge, die meinen: “nur so geht es, und wenn du das nicht machst, bist du raus“, das funktioniert vielleicht auch eine Zeit lang, aber dann hast du ein anderes Problem. Denn du willst ja Menschen dabei haben, die ihre eigene Meinung haben, ihre Freiheiten ausloten und Sachen voranbringen. Ich habe bei Simon Sinek gelesen: „You don’t hire skills, you hire for attitude. You can always teach skills “. Und dem stimme ich zu, natürlich brauchen Mitarbeitende bestimmte Fähigkeiten, aber du willst doch Leute dabei haben, die etwas bewegen wollen, um gute Ergebnisse zu bekommen. Ich würde immer lieber mit Menschen arbeiten, die etwas bewegen wollen, statt ihnen Ansagen machen zu müssen. Man sollte Leute engagieren, die engagiert sind. Das Ziel ist das Ziel, ich halte wenig von dem Spruch: Der Weg ist das Ziel.
Leadership ist für mich aufzuzeigen, wohin es geht – eine klare Vision – und Leute finden, die mitgehen wollen. Meine Parameter sind Wertschätzung und Gestaltungsfreiheiten.
Danke für dieses schöne Bild! Bleiben wir gleich beim Thema Arbeitsmoral. Es gibt sehr öffentliche Debatten rund um Arbeitszeiten und Arbeitsmenge, wie siehst du mit deiner Erfahrung das Thema, dass die GEN Z angeblich so wenig tun will?
Wenn ich höre, „niemand will mehr arbeiten“ von Chefs, da muss ich meinen Kopf schütteln, denn dann weiß ich, es liegt an den schlechten Zielen, den falschen Voraussetzungen.
Wenn es geile Ziele sind, dann arbeiten die Leute auch gern – und viel. Ich glaube, es ist kein Gen-Z-Problem. Wenn sie begeistert sind, dann machen es die Menschen, frei nach dem Motto: „Hier ist das Geld, mach es so wie du Bock hast“, dann arbeiten die Leute. Wenn du über Nacht 40 Assets bauen sollst für einen Instagram-Feed ohne jegliche Passion oder Vision, da würde ich auch lieber Yoga machen stattdessen (lacht).
„Die Straße des geringsten Widerstandes ist nur am Anfang asphaltiert.“ (Hans Kasper)
Erfrischende Weise, einen Konflikt zu beschreiben. Passend dazu die Abschlussfrage. Was würdest du deinem jüngeren Ich oder auch der Gen Z gerne sagen?
„Die Straße des geringsten Widerstandes ist nur am Anfang asphaltiert.“
Dieser schlaue Satz ist nicht von mir, sondern Hans Kasper.
Aber der wäre es, ich bin immer wieder mal den Weg des geringeren Widerstandes gegangen, heute wäre ich mutiger.
Ich bewundere Menschen, die einfach ihr Ding durchziehen. Daniel Arsham beispielsweise, der macht heute kommerzielle Kollaborationen mit den größten Marken der Welt, ist aber dafür eben auch jahrelang den steinigen Weg eines freien Künstlers gegangen.
Ich drehe das Ganze jetzt um, mein Plan F: Irgendwann Kunst machen.