Liebe Helena, ich freu mich, dass wir endlich die Zeit gefunden haben für unser lang geplantes Gespräch. Du bist ja unter anderem in der Fachgruppe Werbung Wien aktiv und hast so einiges vor! Find’ ich super. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass viele gar nicht wissen, was die Fachgruppe eigentlich ist, was mit unseren Beiträgen, die wir als Selbstständige und Unternehmer:innen im so brav bezahlen, eigentlich passiert und wie man Einfluss nehmen kann. Deswegen lass uns doch gleich voll einsteigen!
Es gibt die Wirtschaftskammer Österreich und Wirtschaftskammern in allen Bundesländern. Beide gliedern sich in Sparten. Werbeagenturen, selbstständige Grafikerinnen oder Texter z.B. gehören zur Sparte Information und Consulting. Die Sparte ist wiederum in verschiedene Fachgruppen untergliedert. Die Aufgabe von Fachgruppen ist die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder. Dazu gehört z. B. das Vernetzen untereinander, Kampagnen für die Branche, Aus- und Weiterbildung, Sponsoring von Branchenevents oder auch Kollektivvertragsverhandlungen.
Alles klar! Und was ist jetzt deine Rolle in der Fachgruppe?
In den sogenannten Fachgruppenausschüssen sind Fraktionen diverser Parteien vertreten. Die Menschen darin sind aber keine Profi-Politiker:innen, sondern in erster Linie Selbstständige, die sich für ihre Branche engagieren. Ich wurde gefragt, ob ich Lust hätte, mitzumachen und dadurch selbst “etwas” zu verändern. Begonnen hat alles mit einem Speed Dating Format beim Forward Festival. Mittlerweile ist mein größtes Projekt die Fair Work Initiative zusammen mit dem CCA. Alle Projekte oder Ideen müssen zuerst als Anträge im Fachgruppenausschuss eingebracht und dort im Rahmen von regelmäßig stattfindenden Sitzungen beschlossen werden. Ich bin also vom Initiieren von Projekten über das Schreiben von Anträgen bis zur Umsetzung involviert.
Spannend! Und wichtig, gerade die Fair Work Initiative verfolge ich persönlich auch sehr nah, tolle Arbeit wird da geleistet, wichtige Insights geliefert. Wen es interessiert, geht es hier zu den Ergebnissen.
Aber weiter im Text: Was habe ich als Selbstständige*r für Rechte und Pflichten (außer meines Beitrages)?
Jedenfalls einige Pflichten, bei denen die Fachgruppe helfen kann. Es gibt z. B. Workshops zu Themen wie DSGVO oder Steuerrecht und Vorlagen fĂĽr AGB, die man verwenden kann. Ăśber die Fachgruppe gibt es teilweise auch gĂĽnstigere Tickets fĂĽr Branchenevents. Dein Recht ist es, bei der Wirtschaftskammerwahl mitzumachen und damit deine Vertretung in der Kammer mitzubestimmen.
„Diese vielen Kleinen hätten eigentlich wirklich viel Macht, denn jedes Unternehmen hat eine Stimme.“
Wie kann man dich unterstützen und warum sollte man das tun? Was ist dir wichtig, wofür stehst du, was möchtest du verändern?
Die direkteste Unterstützung ist es, mich bei der nächsten Wirtschaftskammerwahl zu wählen. Leider machen nur wenige Prozent der Selbstständigen bei der WKO-Wahl mit. Wichtig ist mir, dass die vielen kleinen Selbstständigen eine stärkere Stimme innerhalb der Wirtschaftskammer bekommen. Diese vielen Kleinen hätten eigentlich wirklich viel Macht, denn jedes Unternehmen hat eine Stimme. Das heißt: Deine Stimme als Selbstständige*r hat so viel Gewicht wie die eines großen Unternehmens. Bei der WKO-Wahl zählt tatsächlich jede Stimme. Ungefähr 20 Stimmen haben letztes Mal die Machtverhältnisse in der Fachgruppe Werbung Wien beeinflusst.
Wahnsinn. Ich glaube, das ist generell ein großes Thema der Demokratie im Moment, viele sind sich gar nicht bewusst, wie wichtig ihre Stimme ist und wie viel man doch beeinflussen kann. Kann man dich direkt wählen und was bedeutet das?
Ja, aber erst Anfang 2025. Auch die Fachgruppe ist – wie ein “Mini-Parlament” – in Fraktionen gegliedert. Man kann also Fraktionen wählen, aber auch per Vorzugsstimme direkt eine Person. Je nachdem, welche Fraktion mehr Stimmen bekommt, bestimmt, wie das Budget der Fachgruppe eingesetzt wird. Du entscheidest mit der Wahl also mit, wer welche Projekte umsetzen kann.
„Wir sind die Branche der neuen Ideen und schlauen Strategien.“
Na dann “all in” on Helena! ;)
Wo siehst du die größten Probleme der Branche aktuell, aber auch die Chancen?
Ich sehe viel Angst und wenig Mut. Und ich meine jetzt nicht die Angst vor z. B. künstlicher Intelligenz, sondern Angst davor, mutige Kommunikation zu machen. Die kann man mit AI machen. Oder mit einem Bleistift. Die Tools sind in meinen Augen nicht unsere größte Herausforderung, sondern das Mindset. Wir sind die Branche der neuen Ideen und schlauen Strategien. Das ist unsere Chance: Wir haben eine Fähigkeit, die man immer brauchen wird. Wir lösen Probleme auf kreative Art. Um bei der KI als Beispiel zu bleiben: Die ist auch nur so gut, wie die Person, die den Prompt schreibt. Die unzähligen, teils sehr beliebigen Ergebnisse müssen kuratiert, angepasst und eine Lösung ausgewählt werden. Und da sind wir wieder am Anfang: Auch hier ist Mut gefragt. Traut euch. Und vertraut auf eure Fähigkeiten, denn sie sind und bleiben viel Wert.