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Ines Ornig ist good at Ideen schützen.

Ines Ornig, eine erfahrene Juristin mit Fachkenntnissen im Bereich des Patent- und Markenrechts, ist am Österreichischen Patentamt in Wien tätig. Im Rahmen unseres Interviews erläutert sie die vielfältigen Aufgaben des Amtes und wie dessen Service genutzt werden kann. Zusätzlich bietet sie spannende Einblicke in die Thematik der Künstlichen Intelligenz und deren Auswirkungen auf das Patentrecht. Darüber hinaus erklärt sie uns genauer das Mentoringprogramm für Frauen beim Patentamt.

Liebe Ines, freut mich sehr, dass wir sprechen! Zum einen geht es um sehr aktuelle Themen (KI & geistiges Eigentum), zum anderen darum, das Patentamt mehr in die kreative Community einzuführen: viele haben eure tollen Services gar nicht am Schirm! Das werden wir jetzt ändern 😉 Steigen wir gleich direkt ein: Was ist eigentlich das Patentamt, für was brauche ich es und was bekomme ich da als Kreative:r?

Wir sind ein niederschwellig erreichbarer Sparring-Partner und Beratungs-Dienstleister. Eine gute Idee kann jede und jeder haben, nicht nur Lise Meitner oder Dietrich Mateschitz. Wir sind die erste Anlaufstelle für junge und/oder kleine Unternehmen, wenn es um geistiges Eigentum geht. Zumindest sollten wir das sein, denn unsere Arbeit steht ja nicht (nur) ganz hinten, wo wir dem Patent oder der Marke den Registrierungs-Stempel aufdrücken, sondern ganz zu Beginn: Wir helfen den innovativen, kreativen Menschen dort, wo sie es am meisten brauchen – bei Zeit und Geld. Unsere Services, von denen die meisten kostenlos sind, greifen in jedem Stadium der Entwicklung oder Produktion. Was an meiner Idee ist überhaupt schützbar und schützenswert? Was ist eine gute Strategie konkret für mich? Welche Förderung kann ich für meine Innovation bekommen? Unsere IP-Academy bietet zudem großteils kostenlose online-Seminare – von basic Infos bis hin zu spezifischen Themen wie Fördertipps. Wir haben also so viel mehr zu bieten als Stempel und ich kenne nur 3 oder 4 Kolleg:innen (von circa 240), die Birkenstock tragen (mit jedem Respekt für diese seit Jahrzehnten registrierte Marke ;-)).

„Eine gute Idee kann jede und jeder haben, nicht nur Lise Meitner oder Dietrich Mateschitz.“
© Mandl/jack-coleman.com
oesterreichisches partentamt

Wie genau ist der Prozess bei euch? Ab wann entstehen Kosten?

Zunächst ist es wichtig, sich ein Bild von den Möglichkeiten zu machen. Wo stehe ich in der Entwicklung meiner Idee, was brauche ich, um voranzukommen. Wo macht Schutz Sinn und welches Schutzrecht passt. Wo sind meine Märkte, wo ist mein Mitbewerb – wir informieren ja nicht nur über die Möglichkeiten in Österreich, sondern global. Ich bin die Erste, die sagt: nein, in deinem Fall macht das Patent oder die Marke bloß in Österreich keinen Sinn, geh über die WIPO in Genf hinaus in die Welt oder check dir eine EU-Marke am EUIPO in Alicante oder klopf am Europäischen Patentamt in München an. Kosten entstehen nur dann, wenn konkret eine Marke, ein Patent oder ein Design angemeldet wird.

© Österreichisches Patentamt
„Start-ups, die ihr geistiges Eigentum schützen haben lassen, haben 10 Mal so große Chancen, sich Kapital zu beschaffen.“

Was ist für dich eine Marke und warum ist es wichtig, diese zu schützen?

Die Juristin in mir würde artig antworten: Eine Marke ist ein Unternehmenskennzeichen, das ermöglichen soll, die Waren/Dienstleistungen eines Anbieters bzw. einer Anbieterin von vergleichbaren Waren/Dienstleistungen einer anderen Anbieterin bzw. eines anderen Anbieters zu unterscheiden. Nach bald 20 Jahren in dieser Branche kann ich aber sagen: Eine Marke ist viel mehr als das. Eine Marke ist Verbindung, Emotion, ja kann sogar Heimat sein – sowohl für diejenige bzw. denjenigen, die bzw. der sie führt, aber auch für die Konsument:innen. Für Letztgenannte transportiert eine Marke ein (Qualitäts-)Versprechen, ein Lebensgefühl, Werte, Sicherheit. Aus Untersuchungen wissen wir, dass wir Menschen uns dann für eine Marke entscheiden, wenn sie uns eine Antwort auf eine elementare Frage unseres Lebens gibt. Klingt hochgestochen, ist es aber nicht, im Gegenteil – es ist fundamental. Und für Unternehmer:innen und Kreative bedeutet die eigene Marke oft Identität. In Zeiten fluider Arbeitsweisen und -welten, wo viele nach Entfaltung streben, wo es nicht darum geht, work und life auszubalancieren, sondern wo work und life ineinanderfließen, nimmt die Bedeutung der Marke stetig zu. Und gerade hier ist Schutz essenziell! Oder besser gesagt: Es ist essenziell zu wissen, ob der Name oder das Zeichen, mit dem ich mich identifiziere, auf dem ich alles aufbaue, überhaupt schutzfähig ist! Ich hatte nicht erst ein Mal ein Gegenüber, dessen Gesichtsausdruck von euphorisch zu verzweifelt wechselte, als ich erklären musste, dass der Name z. B. beschreibend ist und daher nicht als Marke registriert werden kann. Also auch daher mein Appell: frühestmöglich informieren, um Energie, Zeit und Geld zu sparen.

Siehst du Österreich als innovativ? Und was wären Maßnahmen, das mehr zu fördern? Woran hapert es deiner Meinung nach?

Österreich ist enorm innovationskräftig, das zeigen sämtliche Rankings! Wir sind echt stark im Bereich der Zukunftstechnologien (Robotik, KI, 3D-Druck) oder auch – jüngsten Auswertungen zufolge – bei Technologien in der Krebsbekämpfung sowie im Bereich grüner Technologien, hier liegen wir EU-weit an 6. Stelle. Also bitte stellen wir unser Licht nicht unter den Scheffel! Im European Innovation Scoreboard 2023 führen wir die Gruppe der sogenannten Strong Innovators an und im Global Innovation Index haben wir bei den Indikatoren, die den Innovationsoutput abbilden, ganz aktuell den Sprung von Platz 21 auf Platz 15 weltweit (!) gemacht. Hängt halt auch damit zusammen, dass Österreich hohe Summen in F&E (Forschung und Entwicklung) investiert.
Woran es hapert? Während größere Unternehmen durchaus um den Wert und die Wichtigkeit ihres geistigen Eigentums Bescheid wissen, ist dieses Bewusstsein bei jungen Unternehmen, bei innovativen Start-ups und kleinen Firmen noch nicht ganz ausgeprägt. Dabei zeigt eine aktuelle Studie, dass Start-ups, die ihr geistiges Eigentum schützen haben lassen, 10 Mal so große Chancen, sich Kapital zu beschaffen. Und auch die Kreativszene hat uns viel zu wenig am Schirm. Ich glaube, die sehen uns – wenn überhaupt – als lästigen Klotz am Bein, wo man halt hin sollte, wenn man gründet. Als Spielverderber, der die beste Idee, die man gerade dem Kunden bzw. der Kundin pitchen wollte, kaputt macht. Vielleicht haben wir da ein Imageproblem. Ich kann nicht abstreiten, dass das Patentamt nicht immer so cool und Kund:innen-freundlich war wie jetzt, aber das hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Wir kommunizieren nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe. Unsere wichtigste Zielgruppe sind junge und/oder kleine Unternehmen – sie haben wir vor Augen, wenn wir laufend neue Serviceangebote kreieren.

© Österreichisches Patentamt
„Generell wäre die Welt eine bessere, wenn diese patriarchalen, männlich dominierten Strukturen nicht wären, davon bin ich überzeugt.“

Ihr habt ja auch ein spezielles Mentoringprogramm für Frauen. Wie genau funktioniert das?

Das ist ein super emotionales Thema für mich, da möchte ich ein bisschen ausholen. Österreich ist bei Patentanmeldungen durch Frauen das Europa-Schlusslicht von 38 Ländern. Wir haben uns mittels einer qualitativen Umfrage ganz genau die Hintergründe für diese miserable Erfinderinnen-Quote angeschaut und es ist beschämend: Der niedrige Frauenanteil geht zu einem gewichtigen Teil auf traditionelle Geschlechterrollen und das konservative Frauenbild, die Reduzierung von Frauen in Teams auf administrativ-koordinativ-organisatorische Aufgaben und viele andere Formen von struktureller Chancenungleichheit zurück. Die Kapitalbeschaffung ist für von Frauen geführte Unternehmen ungleich schwieriger, sie bekommen seltener Kredite und um durchschnittlich 23% weniger Mittel als von Männern geführte Start-ups. Oder die lückenhafte Kinderbetreuung und ungleich verteilte Care-Arbeit: Patente werden meistens im Alter zwischen 25 und 35 Jahren angemeldet und oft werden auch in dieser Lebensspanne EPU gegründet. Wenn ich also in dem Alter als Frau ein kleines Kind habe und im Job ein chemisches Experiment am Laufen habe oder mitten in einem Kreativprozess bin, aber um Punkt 15:00 aufstehen und gehen muss, weil der Kindergarten oder Hort schließt, bedeutet das Einschnitte. Die Folge: ab einem gewissen Zeitpunkt im Entwicklungsprozess werden Frauen unsichtbar gemacht, Männer reklamieren die Innovation für sich und als Erfinder genannt wird der männliche Forschungsleiter. Das macht mich so wütend. Und als Tüpfelchen auf dem i werden Erfindungen von Frauen oft belächelt. Beispiel: Wasserfeste Wimperntusche, von einer Wiener Opernsängerin erfunden, heute verdienen Kosmetikkonzerne Millionen damit. Oder Erfindungen werden als “zu weiblich” abgewertet und kaum vermarktet. Beispiel: Elektroautos gibt es seit Anfang des 20. Jahrhunderts, wurden aber als “Frauenautos” abgetan, weil sie so leise waren, und zugunsten des männlich-lauten Verbrennungsmotors verdrängt. Wir hätten viele CO2-Emissionen einsparen können und die Entwicklung neuer Speichertechnologien wäre bereits viel weiter vorangeschritten. Oder: Rollkoffer – früher abgewertet à la “starke Männer tragen ihren Koffer”, heute schiebt jede:r seinen Trolley durch Bahnhof und Flughafen. Generell wäre die Welt eine bessere, wenn diese patriarchalen, männlich dominierten Strukturen nicht wären, davon bin ich überzeugt.
Aber ich schweife ab. Jedenfalls wollen wir in unserem Bereich diesem katastrophalen Gender-Gap mit einem gezielten Maßnahmenpaket entgegenwirken, etwa durch spezifische Weiterbildungsangebote für Frauen oder dem Mentorinnenprogramm “Buddy for her”, wo innovativen, kreativen Frauen eine Expertin seitens des Patentamtes zur Seite gestellt wird, die auf Wunsch durch den Entwicklungsprozess begleitet – natürlich kostenlos.

Wie siehst du die ganze Entwicklung mit KI, dass es gefühlt aktuell kein Urheberrecht mehr gibt und sämtliche Bild- und Textdaten frei verwendet werden von den KI-Unternehmen bzw. deren Tools? Das kann/darf ja eigentlich nicht sein…

KI und die damit verbundenen Möglichkeiten und Herausforderungen sind immer noch DAS Thema. Kann eine KI als Erfinder agieren, wie gehen wir mit dem Markenschutz im Metaverse um und wie sieht’s mit den Rechten an Werken aus, die von der KI generiert wurden? Ein geschätzter Kollege, Urheberrechtsexperte, hat das mal so beschrieben – und das finde ich sehr anschaulich: Wenn ich aus einem Lokal gehe und auf der Straße vor dem Lokal steht ein Fahrrad, nicht abgeschlossen, einladend, setze ich mich ja trotzdem nicht drauf, fahre damit heim und gehe davon aus, dass niemand ein Recht an dem Fahrrad hat. Und genauso ist es bei „unsichtbaren“, nicht haptischen Werken (Texten, Musik, etc.): gehen wir lieber mal davon aus, dass jemand (eine Person, ein Unternehmen) ein Recht daran hat und ich es nicht „einfach so“ für mich beanspruchen kann. Damit will ich jetzt niemanden abschrecken, KI-basierte Anwendungen zu nutzen, diese werden ja auch für unsere tägliche Arbeit zunehmend nützlich, zum Beispiel bei unseren Recherchen zum Stand der Technik. Auch hier gilt: Information is key. Wir spüren hier massive Unsicherheiten und viele Fragezeichen in der Community. Daher gehen wir genau darauf ein bei unserem kommenden Brands Pop-up Event am 20. Juni in Linz, wo sich einer von 3 Talks genau dem Thema KI und dem rechtssicheren Umgang damit widmen wird. Expert:innen werden dort nicht nur Insights geben und aufklären, sondern auch für Fragen zur Verfügung stehen, und zwar – wie immer – kostenlos. Interessierte können sich gerne bei mir melden und bekommen dann eine Einladung von mir. Ist vielleicht eine gute Möglichkeit, sich vom Patentamt und unseren Angeboten selbst ein Bild zu machen 😉

Vielen Dank für das tolle Gespräch!

Hier die Kontaktdaten des Patentamtes:
www.patentamt.at
https://www.patentamt.at/ip-academy

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