Erzähl mal ein bisschen über deinen bisheriger Werdegang. Seitdem wir zusammen Neuroth betreut haben bei JvM vor gefühlt 143 Jahren ist ja einiges passiert…
Gerne. Angefangen hat alles mit einer verpatzten Aufnahmeprüfung bei der Henri-Nannen-Schule für Journalisten. Danach war der Start in der Werbung eher ein Zufall. Werbung hat mich immer interessiert, aber erst mit dem Beginn meiner Ausbildung bei Springer & Jacoby in Hamburg habe ich die Werbung richtig kennengelernt. S&J war damals die absolute Nummer 1 in der DACH-Region. Kunden wie ebay, Mercedes oder Coca Cola wurden betreut und teilweise heute noch legendäre Arbeiten geschaffen.
Leider ist S&J durch Kunden-Verluste und Management Buy-outs ziemlich schnell in Schieflage und schlieĂźlich in die Insolvenz gerutscht.
Meine nächsten Stationen waren PhilippundKeuntje, Jung von Matt Donau und Kolle Rebbe. Danach wäre ich fast in der politischen Kommunikation in Berlin gelandet, aber die Geschichte alleine wĂĽrde Seiten fĂĽllen. Als Freelancer bin ich dann bei der DDB in Wien gelandet, habe dort T-Mobile betreut und bin 2014 dann mit dem Kunden zu Jung von Matt gewechselt. Seit 2020 darf ich nun die Agentur gemeinsam mit Werner und Doris fĂĽhren. Wir sind der Meinung: Innovation ohne Idee ist nichts wert. Kreativität schafft Erfolg. Und dafĂĽr setzen wir uns seit Sekunde 1 ein.“
„Innovation ohne Idee ist nichts wert. Kreativität schafft Erfolg.“
Stimmt, die alten Springer-Sachen waren echt klasse. Was schätzt du am meisten an deiner aktuellen Position?
Bei Jung von Matt dürfen wir mit einer Vielzahl an großartigen Kunden zusammen arbeiten und haben viele Möglichkeiten herausragende Projekte zu machen.
AuĂźerdem ist unser Agentur-Netzwerk als Austauschplattform hervorragend. FĂĽr jede Frage gibt es jemanden in der JvM Gruppe, der bzw. die Hilfe leisten kann.
Ihr habt da aber auch eine gute Balance, einerseits frei entscheiden, aber falls nötig auf Netzwerk-Ressourcen zurückgreifen können. Wie siehst du dich selber in der Führungsrolle, hast du das Potenzial immer schon in dir gesehen oder hat sich das erst entwickelt?
Ich habe mit 5 Jahren angefangen Handball zu spielen und habe das mehr als 20 Jahre gemacht – teilweise auch gar nicht so schlecht. Hier habe ich Teamplay gelernt und war in meinen Mannschaften immer Kapitän und somit schon früh in einer Führungsrolle. Agenturen sollten aber viel mehr in die Ausbildung von Führungspersönlichkeiten investieren. Das würde ich mir rückwirkend auch für mich wünschen.
Wir versuchen das an der Donau zu machen, sind aber auch noch in den Anfängen.
Ich glaube das, ist grundsätzlich ein großes Thema: Investment in Mitarbeiter:innen. Wenn es so weiter geht, wie es sich aktuell abzeichnet, wird in Zukunft einfach mehr Arbeit da sein als Menschen die sie machen können oder wollen. Da muss man diejenigen fördern und entwickeln, die da sind.
Da bin ich ganz bei dir. Auch deshalb wurde die JvM Academy gegründet, um Berufseinsteiger:innen eine Möglichkeit zu geben, nah an der „Jobrealität“ zu lernen und sich zu entwickeln.
Finde ich sehr gut! A propos „entwickeln“: Wie möchtest du bzw ihr, dass sich JvM in der Zukunft entwickelt und wo siehst du euch aktuell? Auch mit der Gründung des Studios für Branding & Design?
JvM stand immer für Kommunikation, die man nur bei JvM bekommt. Mutig, merkwürdig, anders. Da wollen wir wieder hin. Wir sind auf einem guten Weg, aber ganz getreu unseren Werten („Wir bleiben unzufrieden.“) sind wir noch nicht am Ziel.
In den letzten Jahren haben wir unser Leistungsportfolio deutlich erweitert.
Neben der JvM Play, unserer Motion Design Unit, haben wir mit dem Studio ein groĂźartiges Team aufgebaut fĂĽr Branding und Design. Auch in diesen Bereichen wollen wir herausragende Arbeit leisten.
Mit Doris haben wir seit Mai auch noch den PR-Bereich im Portfolio. Das Mitdenken von PR ist immer wichtiger geworden, da die Budgets der Kunden immer kleiner werden. Arbeiten so zu denken, dass Medien aktiv darüber berichten, hat an Bedeutung gewonnen. Beispiele sind hier der Burger King Case „Normal oder mit Fleisch“ oder „Vienna Strips On OnlyFans“, der gemeinsam mit dem Team des Wien Tourismus unter kreativer Führung von Michael Morgenbesser entstanden ist.
Zwei super Cases, fand ich beide klasse. Ich fand auch den Prozess mit euch (zum ersten mal als KUNDE) das Branding für Good At zu entwickeln wirklich sehr spannend. Vor allem die Tatsache, dass sich vorab extrem damit beschäftigt wurde, was ich wollte, um mir dann zu zeigen was ich brauche…besonders beim Naming. Kann man sagen, dass das inzwischen euer genereller Zugang zu Kreation ist?
Bei uns beginnt Kreation nicht einfach mit der Konzeption von Ideen. Wie du sagst, wir beschäftigen uns sehr intensiv mit der Aufgabe, den Auftraggebenden und den Zielgruppen. Strategie ist ein enorm wichtiger Pfeiler geworden. Am Standort in Wien haben wir vier Vollzeit-Strateg:innen, in Hamburg nochmal 30. Und es könnten ruhig noch mehr sein.
Neukund:innen sage ich zu Beginn immer, dass wir sie am Anfang richtig nerven werden. Denn wir stellen viele, viele Fragen und versuchen möglichst viele Blickwinkel auf das Problem bzw. die Aufgabe zu bekommen. Aber generell gilt: Be brave. Dig deeper. Fight for ideas!
In dem Kontext: Was glaubst du ist auf Kundenseite wichtig, dass Agenturen exzellente Kreation machen können? Und welche Prozesse sind für dich entscheidend?
Vor jedem Prozess steht erstmal die Bereitschaft und auch die Offenheit für Neues, Unbekanntes. Und dann ist das Wichtigste aus meiner Sicht ein Vertrauensverhältnis zwischen Agentur und Kunde. Als Agentur muss man den Kunde verstehen und sich in ihre bzw. seine Rolle versetzen. Versteht man sich gegenseitig als Partner:innen und redet auf Augenhöhe ist die Basis für herausragende Kreation geschaffen.
„Be brave. Dig deeper. Fight for ideas.“
Wo wir auch schon bei „Momentum“ wären. Was bedeutet das für dich und wie schätzt du die Kraft von Ideen ein?
„Momentum“ bedeutet fĂĽr mich aus einem eingesetzten Mediabudget deutlich mehr rauszuholen. Ideen, die „Momentum“ erzeugen, verändern etwas im Kopf der Menschen und genau das schafft spannende, neue Zugänge. Diese Denkweise sollte aus meiner Sicht ein wesentlicher Teil der Unternehmenskultur sein. Ideen sind nicht nur groĂźen Kampagnen, es kann ein einfaches Posting, ein Tweet oder ein kleiner Junge sein, der ĂĽber Maiskolben (corn kid tiktok song) redet. Alles, was relevant ist und so Impact schafft. Generell ein gutes Credo: Stoppt die Langeweile. Fight the Einheitsbrei!
Wie wichtig ist Kreativität für Geschäftserfolg aus deiner Sicht? Und warum?
Sehr wichtig. Als Unternehmen muss man erstmal aus der Masse herausstechen, um aufzufallen. Und da hilft Kreativität enorm.
Das Problem ist: Den meisten Menschen sind Marken komplett egal. Dazu gibt es ja genug Studien. Wie glaubst du kann man das ändern?
Unterhalten, unterstĂĽtzen oder untergehen ist hier eine Devise.
Man muss als Marke Relevanz schaffen und den Menschen etwas bieten, warum du als Marke nicht egal bist. Marken, die mir persönlich etwas geben, sei es Status oder einen Mehrwert, haben einen Platz in meinem Kopf oder wenn sie es richtig gut machen, in meinem Herzen.
Das Meiste, was man so sieht, ist halt leider trotzdem bisschen…langweilig. Wie stoppt man diese Langeweile?
Das ist eine schwere Frage. Denk mal kurz nach, welche Marke dich in letzter Zeit begeistert hat. Oder etwas einfacher, welche Marke dir aufgefallen ist. Es klingt banal, aber Marken mĂĽssen wirklich erstmal auffallen und das schaffen sie in meinen Augen durch ungewöhnliche Kommunikation. Und das kann alles sein.Â
Ich war in Mailand und Moncler hat die neue Kollektion vorgestellt. Hunderte Menschen in weiĂźen Winterjacken, laute Musik, direkt am Mailänder Dom. Das war spektakulär und ein Markenerlebnis. Ob ich jetzt eine Moncler-Jacke kaufen werden, we’ll see. Ryanair fand ich als Unternehmen ganz, ganz schlimm. Aber die Kommunikation bei TikTok ist brilliant und nun fliege ich tatsächlich bald mit Ryanair. Es sind viele Puzzlesteine, die solche Handlungen ausmachen.
„Stoppt die Langeweile. Fight the Einheitsbrei.“
Was ist in diesem Kontext dein liebster Case des letzen Jahres? Und warum?
Aus dem eigenen Haus, klar der Wien Tourismus Case „Vienna Strips On OnlyFans“. Nicht weil er weltweit jeden Award gewonnen hat, den es so gibt, sondern weil die Idee so simpel und smart ist. Ein relevantes Thema schlau inszeniert und das ohne Budget. Großartig.
Nicht aus diesem Jahr aber ein absoluter Favorit ist der Burger King Case mit dem „FC Stevenage“. Wir haben doch alle mal davon geträumt, etwas mit Fifa oder Fortnite zu machen und Burger King macht es einfach so genial.Â
Aus dem letzten Jahr in Ă–sterreich mochte ich die Humanic-Kampagne, weil sie merkwĂĽrdig und mutig war.
Stimmt! Grüße gehen raus an DODO! Welche Entwicklungen siehst du generell in der Kreativbranche? Sind Abrechnungs- und Geschäftsmodelle und somit auch Arbeitszeitmodelle noch lebbar bzw im Zeitgeist?
Der Druck auf Kreativ-Agenturen war noch nie so groß wie jetzt. Personalmangel, schrumpfende Budgets, immer komplexere Kanäle und die äußeren Faktoren wie Corona oder die Energiekrise wirken sich auf das Arbeiten aus.
Agenturen mussten in den letzten Monate viele neue und ungewohnte Wege einschlagen. Das Abrechnungsmodell, bei dem nach Stunden verrechnet wird, ist absolut absurd. Hat sich aber leider komplett eingefahren. Als Agentur wirst du ja fast belohnt, wenn du länger brauchst, um Ideen zu finden. Wir probieren aktuell verschiedene Honorar-Modelle aus, das „Wir-zahlen-nach-Stunden“ ist leider das meist akzeptierte.
Bei Arbeitsverträgen sind wir viel flexibler geworden, was die verschiedenen Arbeitszeiten und natürlich Orte angeht. Der All-In Vertrag ist aber immer noch gängig und dafür haben wir noch keine Lösung, die für alle Seiten fair ist. Die Zeiten von 24/7 in der Agentur sitzen sind aber schon längst vorbei. Und das ist gut so.
„Marken, die mir persönlich etwas geben, sei es Status oder einen Mehrwert, haben einen Platz in meinem Kopf oder wenn sie es richtig gut machen, in meinem Herzen.“
Das stimmt. Im Nachhinein fragt man sich schon manchmal warum man das alles damals mitgemacht hat. Andere Zeiten einfach. Zu den aktuellen Zeiten: Was sind eure Rezepte im „war for talents“?
Ganz simpel: Gute Arbeiten. Leute, die zu uns kommen, kommen zu uns, weil wir herausragende Sachen ermöglichen. Dafür arbeiten wir ständig am Kundenportfolio und an den Beziehungen zu unseren Kund:innen.
Und dann natürlich eine faire Bezahlung, Wertschätzung und ein Wir-Gefühl in der Agentur. Das ist harte Arbeit, die man nicht spüren darf. Wir haben auch verschiedene Projekte, die uns einzigartig machen wie z.B. die JvM Community, wo wir laufend Aktivitäten anbieten, damit unsere Leute einfach Spaß miteinander haben. Die Hütten-Tage, wo wir Kreativ-Teams zum Ausdenken auf eine einsame Hütte schicken. Das Markhof-Experiment, wo zusammengewürfelte Teams aus Beratung, Strategie und Kreation einen Tag lang auf echten Briefings arbeiten. Hier ist die Burger King Idee „Normal oder mit Fleisch“ entstanden.
Spannend. Ihr schafft also Räume in denen sich eure Leute optimal entwickeln können und so ihr ganzes Potenzial ausschöpfen.
Genau. Neben den beiden genannten Beispielen (HĂĽtten-Tage und das Markhof-Experiment) haben wir auch verschiedene Inspirationsformate, wo wir Externe einladen und ĂĽber verschiedene Themen reden.
Und fĂĽr alle Mitarbeiter:innen entwickeln die FĂĽhrungskräfte einen persönlichen Fahrplan, um Stärken zu stärken.Â
So muss das sein. Zum Abschluss: Hast du noch Tipps, die du jungen Menschen mit auf den Weg geben möchtest? Und warum eine Karriere in der Kommunikationsbranche nach wie vor erstrebenswert ist?
Kommunikation macht einfach Spaß. Ich bin Berater und liebe es mit Kreativen zusammenzuarbeiten. Probleme zu lösen, für die jemand anders keine Lösung gefunden hat, ist super. Natürlich ist es ein stressiger Beruf, aber wenn man eine Arbeit lebendig werden sieht und dabei die Begeisterung spürt, ist das eine tolle Erfahrung.
Als Newbie in der Branche sollte man etwas Geduld mitbringen. Die Zeiten, wo ein Input eines Juniors nichts zählte, sind Gott sei Dank schon lange vorbei, aber die meisten brauchen etwas Zeit, um zu verstehen, was eine gute und richtige Kreation ist. Und man sollte sich immer vor Augen fĂĽhren, warum der Kunde sich vielleicht gegen eine Idee entschieden hat.Â
Ich glaube, das Wichtigste ist tatsächlich, dass man Verständnis fĂĽr das GegenĂĽber hat. Sei es der/die Berater:in, der Kunde, der/die Kreative.Â
Da bin ich ganz bei dir. Wenn sich die Rahmenbedingungen etwas dem Zeitgeist nähern, was sie aktuell merklich tun, ist es für mich einer der spannendsten Bereiche überhaupt. Ständig neue Themen, mit denen man sich befasst, man bleibt wirklich jung im Kopf, viele interessante Menschen, gerade im Kreativbereich ganz viel Raum sich auszuleben (kommt natürlich auf Umfeld und Kunde an)… das können nicht so viele Jobs bieten. Ich danke dir für das Gespräch!
Gerne!