Liebe Louise, freut mich, dass wir es zu einem Gespräch geschafft haben! Erzähl doch mal, wie kam es dazu, dass du dich auf Unternehmenskultur als Schwerpunkt in deinem Führungsstil fokussiert hast?
Ich war immer fasziniert von Menschen – ihrem Antrieb, ihren Taten und Gefühlen. Sowie auch von der Weise, wie Sprache und Kommunikation unser Leben prägen. Ich habe Psychologie in London studiert und durch einen glücklichen Zufall landete ich dann in meinen frühen Zwanzigern in Wien –und in der Werbewelt.
Schon von Anfang an hat mich der emotionale Prozess interessiert, der während der erwarteten kreativen Entwicklung von etwas Innovativem stattfindet: Creative people are expected to think outside the box, while staying very firmly inside a box. Eine sehr spezielle Arbeitsumgebung, die einen sehr spezifischen Unternehmerischen Ansatz erfordert.
Auf meinem Weg durch die Werbewelt, durfte ich stärksten Zusammenhalt, faszinierende Kunden, Kommunikationsstrategien, die die Wirtschaft bewegt haben, wahnsinnig kreative Aha-Momente, Mega Events und vieles mehr erleben. Doch gleichzeitig habe ich auch häufige Fälle von Burnout erlebt; die stille Entlassung von Mitarbeitern, deren persönliche Lebensumstände sich geändert haben und nicht mehr mit einer traditionellen Agenturstruktur vereinbar waren; Diskriminierung in verschiedenen Bereichen und zugleich auch einen scheinbaren Rückgang des Interesses junger Talente, in der Branche zu arbeiten.
Die Kommunikationsbranche ist endlos aufregend und für mich der beste Job der Welt. Aber ich bin überzeugt, dass es, wenn es bei der Überlegung der Menschen, wo sie arbeiten möchten, weniger um den Job an sich geht und vielmehr darum, was man in seinem Alltag erleben möchte. Es denken besonders jüngere Generationen sehr bewusst darüber nach. Natürlich gibt es für Arbeitnehmer im Karriere-Entscheidungsprozess einen wirtschaftlichen und fachlichen Hintergrund, aber typischerweise suchen diejenigen, die sich kreativ ausdrücken möchten, in erster Linie nach einem Raum, in dem sie sich entfalten und sie selbst sein können. Sie wollen sich wohlfühlen und das ist, finde ich, nicht zu viel verlangt. Es ist jedoch eine Herausforderung, wenn man bedenkt, wie viel Druck die spannenden Aufgaben in einer Werbeagentur von Natur aus mit sich bringt.
Ich sehe es so, dass in Dienstleistungsfirmen wie Kreativagenturen Mitarbeiter der Treibstoff des Unternehmens sind. Somit sollen die Mitarbeiterbedürfnisse und Entwicklungen – sowohl innerhalb als auch über fachliche Aspekte hinaus – klar im Fokus der Unternehmensführung Philosophie stehen keinesfalls zur reinen HR-Abteilungsaufgabe werden.
„Creative people are expected to think outside the box, while staying very firmly inside a box.“
Und wie wirken sich diese Erkenntnisse auf deine Arbeit bei -stoff- aus?
Kurz bevor ich hier angefangen habe, hatte stoff einen richtigen Wachstumsschub. Und mit einem neuen Team wurde unsere neue Online-Content-Plattform Hektar gegründet. Das war eine großartige Gelegenheit für mich, denn es war unter anderem mein Auftrag, als Teil des Leadership Teams für nachhaltiges Wachstum zu sorgen und zukünftige Prozesse zu navigieren. Für mich war der einzige Weg, dies anzugehen, sich auf die kontinuierliche Entwicklung der Unternehmenskultur zu konzentrieren.
“New Work needs inner work”, sagt man ja. Ist das im ersten Schritt die größte Herausforderung, sich dem authentisch zu stellen: Wer sind wir eigentlich? Für was stehen wir?
Ich tue mir schwer mit dem Begriff „New Work“, weil er Themen und Philosophien mitbringt, die nicht mehr wirklich neu sind oder sein sollten. Es ist auch nicht immer notwendig, alles komplett neu zu denken. Vielmehr spreche ich gerne über eine natürliche und selbstverständliche Weiterentwicklung unseres Arbeitsumfeldes.
Dafür haben wir bei stoff einen einfachen, intuitiven Zugang entwickelt, der auf einem Zusammenspiel aus Wertesystem und Maßnahmen basiert.
Unser Unternehmenswertesystem ist der Kulturkompass für die kontinuierliche Entwicklung von internen Maßnahmen. Unter Maßnahmen verstehen wir sowohl Benefits als auch allgemeines Handeln und strukturelle Rahmenbedingungen.
Was Maßnahmen und strukturelle Rahmenbedingung betrifft, bieten wir einiges – was großartig und wichtig ist. Es gibt vieles, das ein Unternehmen tun kann, das einen enormen Einfluss auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter und die Attraktivität des Unternehmens hat. Aber solche Dinge sind Variablen und von persönlichen Vorlieben, den jeweiligen Mitarbeitern sowie auch vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig.
Viel relevanter für eine langfristige und stabile Bindung der Mitarbeiter finde ich ein Wertesystem – sprich, das Handeln im Unternehmen im Alltag. Gesundes Handeln ist nicht kompliziert, aber es erfordert ein unermüdliches Kommitment zu einem gewissen Wertesystem.
Für uns heißt das, ein Umfeld, in dem Menschen ermutigt werden, sich weiterzuentwickeln, kontinuierliches Feedback erhalten und bei Problemen durch Lösungen unterstützt werden. Es beruht primär auf transparenter und respektvoller Kommunikation. Denn wenn Menschen wissen, dass sie sich auf Teammitglieder verlassen können und darauf vertrauen, dass das Leadership Team auf das hört, was sie brauchen, wird ihre Motivation und Loyalität gegenüber dem Unternehmen auf eine Weise steigen, die alle Pizza-Donnerstage der Welt nie erreichen könnten.
Es ist nicht unser Anspruch, dass jeder das bekommt, was er möchte. Das kann auch nie das Ziel eines Unternehmens sein. Vielmehr geht es darum, dass Zeit investiert wird, um individuelle und Team-Lösungen – soweit möglich – gemeinsam zu entwickeln.
Dass auch Fehler gemacht werden, kennen wir. Und das finde ich absolut in Ordnung. Denn es geht dabei nicht um Eitelkeit, sondern darum das Richtige zu tun – für das Unternehmen und für die Menschen darin. Eine desorganisierte „Trial-and-Error“-Umgebung streben wir nicht an. Aber wenn Maßnahmen scheitern oder ungünstig gehandelt werden, wird Mitarbeiterfeedback berücksichtigt und gegebenenfalls der Kulturkompass nachjustiert.
„Gesundes Handeln ist nicht kompliziert, aber es erfordert ein unermüdliches Kommitment zu einem gewissen Wertesystem.“
In welchem Umfeld können kreative Menschen deiner und eurer Meinung nach optimal Performen? Das “Produkt” der Branche ist ja Kreativität, und die wird noch von Menschen gemacht.
Für mich gibt es eine sehr einfache Antwort darauf. Kreative Menschen – und darunter verstehen wir sowohl Beratungs- als auch Kreativteams – können nur dann kreativ sein, wenn sie sich wohlfühlen und im Einklang mit ihrer Umgebung sind. Abseits von einem offensichtlichen Menschlichkeit Aspekt, führt Diversität zu Innovation, und eine Vielfalt an Personen müssen sich in ihrem Arbeitsumfeld entfalten können; das heißt auch, dass verschiedene Aspekte der privaten Lebensanforderungen berücksichtigt und ermöglicht werden sollen.
Gibt es inzwischen KPIs oder messbare Zahlen für eure Änderungen?
Grundsätzlich ist jeder wirtschaftliche Erfolg in einer Dienstleistungsfirma wie einer Creative Agency ein Indikator für die Auswirkung einer Unternehmenskultur. Ein paar KPIs abseits davon wären Client Retention, Mitarbeiterfluktuation, Etatgewinne und auch Bewerbungen.
„Vieles bei der Unternehmenskultur ist Hausverstand und nichts davon Raketenwissenschaft.“
Was war für dich und euch die größte Herausforderung in dem Prozess?
Die Schönheit und Herausforderung des Prozesses besteht darin, dass er nie abgeschlossen ist. Menschen, Gesellschaft, Wirtschaft, unser Firmenwachstum – alles verändert sich ständig, daher bedarf es ständiger Überprüfungen, kontinuierlicher Kommunikation und Anpassung. Genau das macht das Ganze so faszinierend und hält einen motiviert, weiter voranzukommen und ein super talentiertes Team dabei zu navigieren, das Beste aus sich und für das Unternehmen herauszuholen.
Vieles bei der Unternehmenskultur ist Hausverstand und nichts davon Raketenwissenschaft, aber es hat doch so eine Macht, dass ein ganzes Unternehmen damit sowohl positiv als auch negativ gelenkt werden kann.
Ich bin stolz darauf, wo wir als gesamtes Leadership- und Agenturteam derzeit stehen. Gemeinsam haben wir eine gesunde Unternehmenskultur geschaffen, in der jeder stoff gibt.
Für mich ist der Schlüssel, niemals damit aufzuhören, daran zu arbeiten. Aber auch zu akzeptieren, dass Werbepreise, Snacks und flexible Arbeitszeiten schon lange nicht ausreichen, um junge Talente zu gewinnen oder bestehende Talente zu behalten. Dabei geht es um die Mischung aus Maßnahmen und Werten, und in diesem Sinne, den Fokus von trendigen Benefit-Variablen abzuwenden und sich stattdessen tiefer auf Unternehmenswerte zu konzentrieren. Denn nur diese bleiben beständig und dienen als Anker in allen Stürmen, die jeder in dieser tollen Branche zunehmend bewältigen muss.