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Roland Radschopf ist good at Branding.

Roland Radschopf zählt zu den prägenden Köpfen der österreichischen Werbe- & Designszene. Er studierte an der Universität für angewandte Kunst in Wien, gründete bereits 2009 sein Studio DEMONSTRATIVE und ist heute Managing Director und Executive Creative Director bei Scholz & Friends Wien. Seine Arbeiten wurden mit unzähligen internationalen Preisen ausgezeichnet, unter anderem beim D&AD, dem anspruchsvollsten und schwierigsten Award. Radschopf steht für strategische Markenarbeit mit Haltung, für starke Konzepte und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Roland Radschopf

Servus Roland! Steig’ ma gleich voll ein: Was bedeutet Branding für dich heute, und wie hat sich deine Haltung dazu im Lauf der Jahre verändert?

Zuerst mal: Hallo Patrik und danke für das Interview. Unter Branding versteht man den Gesamtprozess, wie eine Marke aufgebaut und letztendlich nach außen hin inszeniert wird. Gefühlt ist die Welt auch im Bereich Marke etwas komplexer geworden. Viele Menschen haben eine starke Meinung zum Thema und versuchen, mit Buzzwords zu glänzen. Wichtig ist allerdings nicht nur ein theoretisches Wissen, sondern auch Erfahrung in der Praxis. Bei Branding treffen viele verschiedene Disziplinen auf einander. Marketing, Design, Psychologie. Kunstgeschichte. Architektur. Der Blick auf das große Ganze darf nicht verloren werden, wenn man sich im Detail verliert.

„Marken werden nur noch wahrgenommen, wenn sie eine klare Botschaft haben – kraftvoll inszeniert, online wie offline, visuell wie auditiv, haptisch wie olfaktorisch.“

Wie beginnst du einen Markenprozess? Welche Fragen stellst du am Anfang und was ist fĂĽr dich der entscheidende Wendepunkt im Prozess?

Ein Markenprozess braucht Zeit und beginnt immer mit einem sehr intensiven Analyseprozess des Bestandes. Vor dem ersten Strich werden also komplexe Sachverhalte zusammengetragen, strukturiert und vereinfacht. So erhält man ein gutes Bild, das für ein Markenverständnis unerlässlich ist. Nach der Recherche wird die Markenpositionierung erarbeitet. Da wird unter anderem definiert, wofür die Marke überhaupt steht, welche langfristigen Ziele sie verfolgt, wer die Zielgruppe ist und wie das Markenversprechen ist. Dann entwickeln wir (gemeinsam mit dem Kunden) eine Strategie, wie wir dorthin kommen. Meistens passiert das in Form eines Workshops.

Fotografie: Andreas Jakwerth
Fotografie: Andreas Jakwerth

Du hast viele Stationen durchlaufen, eigenes Studio, große Agenturen, heute zwei starke Rollen bei Scholz & Friends. Wie hat sich dein Blick auf Kreativität und Führung dabei verändert?

Das große Asset unserer Agentur ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinaus mit anderen Agenturen der Scholz & Friends Family sowie mit unseren Netzwerken VML und WPP. Wir haben sofortigen Zugriff auf unsere Expertinnen aus diversen Disziplinen – sei es Strategie, Text/Konzept, Design, Animation, Sound, Filmschnitt usw. Neben all diesen Vorteilen ist es wichtig, klare Aufgaben und Kompetenzbereiche zu verteilen. Jede:r spielt eine wichtige Rolle in einem großen Ganzen. Auch bei uns gilt: Ein kleines Team ist oft schlagkräftiger und effizienter, weil Entscheidungswege kürzer und Verantwortlichkeiten klarer sind.

Gibt es ein Projekt, das dich besonders geprägt hat, sei es durch die Zusammenarbeit, den Mut des Kunden oder die Art der Umsetzung?

Da gibt es viele – etwa das Hotel Sacher, die Tiroler Festspiele Erl, die Österreichischen Bundesforste, Admira Wacker oder die Privatbrauerei Hirt in Kärnten. Sie alle stehen für Projekte, bei denen Mut, Vertrauen und die Offenheit für neue, unkonventionelle Lösungen entscheidend waren. Ein Extrem war sicherlich das Rebranding von Ski Austria, dem Österreichischen Skiverband. Wie bei all unseren Projekten lag auch hier ein intensiver Markenprozess zugrunde. Schon damals war uns ganz genau bewusst, dass wir speziell am Anfang massiven Gegenwind haben werden. Umso wichtiger ist in solchen Fällen das Vertrauen des Kunden – und ein klarer, vordefinierter Plan, um die Situation zu meistern, ohne aus Unsicherheit den Kurs zu ändern. Gerade in solchen Momenten ist es entscheidend, die Zielgruppe ernst zu nehmen, Kritik einzuordnen – und Haltung zu zeigen.

„Kreativität muss auf den Boden gebracht werden. Dazu braucht es sehr viel Erfahrung und FingerspitzengefĂĽhl.“

Du arbeitest oft interdisziplinär, mit Fotograf:innen, Architekt:innen, manchmal auch sehr untypischen Partner:innen. Was macht solche Kollaborationen für dich wertvoll?

Nachdem der Kunde die Idee freigegeben hat, beginnt die Phase, in der wir auch unsere Umsetzungspartner:innen für die Idee gewinnen müssen. Oberste Priorität: So wenig Kompromisse wie möglich. Im Endeffekt geht es immer nur um das Ergebnis. Wie oder mit wem man dahin kommt, ist letztendlich egal. Mich fasziniert das Arbeiten mit den besten Leuten aus anderen Branchen. Menschen, denen Ästhetik, Detailverliebtheit und Präzision wichtig sind. Von diesem Austausch haben sowohl das Projekt als auch ich als Person immer am meisten profitiert.

Was tust du, wenn du an einem Punkt im Prozess merkst, dass deine Lieblingsidee nicht die richtige Lösung ist? Wie gehst du mit diesem Moment um?

Bis eine Idee überhaupt entsteht, ist mit dem vorangegangenen Markenprozess viel Vorarbeit geleistet worden. Dann hat man ziemlich viele Argumente für die Idee. In der Regel gefällt sie dann und wir können sie weiterverfolgen und finetunen. Wenn nicht, gibt es ein Gespräch, warum die Idee nicht zusagt und wir drehen noch eine Runde. Es zählt die beste Lösung für die Marke, nicht das Ego.

Zusammenarbeit mit dem ArchitekturbĂĽro Baukooperative

KI ist im Design angekommen, wie erlebst du das?

Das ist das heiße Thema gerade, ja. Manche behaupten, dass KI das Ende unserer Branche ist. Ich sehe das nicht ganz so. KI ist eher ein (mittlerweile auch für uns unverzichtbares) Tool, löst festeingefahrene Muster auf und verkürzt Wege zum Ziel. Gewisse Jobs wird es tatsächlich auch in der Werbebranche so nicht mehr geben. Aber dafür andere. Pferde waren einst das wichtigste Fortbewegungsmittel der Menschen – bis das Automobil kam. Auch damals gab es viele, die sich dem Fortschritt widersetzten. Dem Auto war das egal. Es setzte sich durch. Manche Berufe verschwanden, neue entstanden.

Wo siehst du Chancen, KI sinnvoll in den Brandingprozess zu integrieren und wo beginnt der Bereich, den Technologie nicht ersetzen kann?

KI kann bereits in vielen Arbeitsbereichen eingesetzt werden, was wir auch bei allen Stationen der Markenentwicklung tun. Wer sich KI in unserer Branche verschließt, hat aus meiner Sicht in naher Zukunft ein Problem. Aber KI ist nicht die Lösung für alles. Emotionales Verständnis und Empathie sind menschliche Eigenschaften. Es braucht neben den KI-Tools die Art Direktoren und Creatives, die als Dirigent fungieren und ein überraschendes Ergebnis einfordern. Eines, das es so noch nicht gab.

„Was wir brauchen, ist ein klarer Plan – und ein sicheres GespĂĽr fĂĽr das, was stimmig ist.“

In einer Welt voller Austauschbarkeit, warum ist eine klare Marke wichtiger denn je?

Die Welt dreht sich immer schneller. Studien gehen davon aus, dass wir heute täglich zwischen 6.000 und 10.000 Werbebotschaften ausgesetzt sind. Das liegt nicht nur an mehr Werbung, sondern an mehr Kanälen wie Social Media, Streaming, Mobile usw. Marken werden nur noch wahrgenommen, wenn sie eine klare Botschaft haben. Eine, die kraftvoll inszeniert wird. Online wie offline. Visuell wie auditiv. Haptisch wie olfaktorisch. Auf generische Werbeversprechen kann die Welt verzichten.

Was rätst du jungen Marken oder Start-ups: Was sollten sie unbedingt tun, und was besser lassen?

Man sollte sich auf das konzentrieren, worin man besser ist als andere. Möchte ich ein hochwertiges Möbelstück aus Holz haben, gehe ich zum Tischlereibetrieb. Gegen Zahnschmerzen gibt es Abhilfe: die Zahnärzt:innen. Das Logo ist das Herzstück der Marke und sollte von jemandem entwickelt werden, der Grafikdesign beherrscht. Und man sollte sich bewusst sein, ein Logo alleine bringt nichts. Den Markenauftritt selbst zu gestalten, ist in mehreren Aspekten nicht ratsam, weil Erfahrung in Typografie, Farblehre und visuellem Storytelling unerlässlich ist.

Du hast viele Awards gewonnen. Wie wichtig sind solche Auszeichnungen für dich persönlich und welchen Stellenwert haben sie in der Branche heute noch?

Um hier einmal mit den Konventionen zu brechen: Ich reiche nicht bei Awards ein, um mich selbst zu beweihräuchern. Vielmehr verstehe ich Awards als Gradmesser, wo wir uns gerade bewegen. Sind wir am richtigen Kurs? Oder müssen wir vielleicht unsere Arbeitsweise hinterfragen? National gesehen ist das der Creativ Club Austria, im DACH-Raum ist das der Art Directors Club Deutschland. Am internationalen Parkett ist das bei Design und Art Direction der D&AD. Für Werbung sind die Cannes Lions die kreative Währung. Die Fachpresse berichtet über Awards, wir bekommen dadurch mehr Sichtbarkeit. Für das Team ist ein Award natürlich auch Bestätigung und Motivation.

Und zum Schluss: Wie würdest du den Wert von Kreativität heute beschreiben? Müssen wir ihn nicht völlig neu denken, echte Kreativität scheint mir wertvoller als je zuvor.

Dieses Jahr hat ein massiver Betrugsskandal die Kreativbranche erschüttert. Mehrere Arbeiten wurden nachträglich zurückgezogen oder vom Wettbewerb disqualifiziert. Wenn Kreation wichtiger ist als Realität, verliert nicht nur der Award an Wert, sondern auch unser Geschäft. Alle Arbeiten, die wir einreichen, sind bezahltes Daily Business – also reale Projekte für reale Kunden. Von der Parallelgesellschaft „Gratis Goldideen für nicht vorhandene Kunden“ halte ich überhaupt nichts. Kreativität muss am Boden gebracht werden. Dazu braucht es sehr viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Das muss honoriert werden.

Danke für das spannende Gespräch, Roland!

Mehr zur Arbeit von Roland findet ihr hier. 

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