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Saskia Leopold ist good at Urheberrecht & KI.

Saskia Leopold ist Rechtsanwältin und Mitgründerin der Kanzlei ATTYS in Wien. Nach ihrem Studium in Wien und New York sowie acht Jahren in einer Großkanzlei hat sie sich auf Geistiges Eigentum, unlauteren Wettbewerb und Kunstrecht spezialisiert. Als Vorstandsmitglied der Leopold Museum Privatstiftung engagiert sie sich auch für Kunst und Kultur. Im Interview spricht sie über die Auswirkungen von KI auf Kreativschaffende, den Fall in Hamburg und mögliche Auswirkungen für Kreativschaffende.

Saskia Leopold

Liebe Saskia, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst! Gerade für Kreative ist das Thema KI ein großes und wichtiges. Steigen wir doch gleich ein, magst du dich kurz vorstellen und ein bisschen was zu dir erzählen?

Sehr gerne! Ich bin Rechtsanwältin und habe Anfang 2024 die Anwaltskanzlei ATTYS mit zwei Partnern in Wien gegründet. Davor habe ich in Wien und New York Jus und Kunstgeschichte studiert und habe acht Jahre lang in einer Großkanzlei im Bereich Geistiges Eigentum, Unlauterer Wettbewerb und Kunstrecht in Wien gearbeitet. Diese Spezialgebiete habe ich mir in der eigenen Kanzlei natürlich beibehalten. Zusätzlich bin ich Vorstandsmitglied der Leopold Museum Privatstiftung und im Komitee des jungen Förderkreises des Leopold Museums aktiv. Mein Leben findet also zwischen diesen Eckpunkten – Anwaltei und Kunst – statt.

Foto © ATTYS
„Transparente Systeme schaffen Vertrauen in die Technologie und fördern deren verantwortungsvolle Nutzung.“

Sehr schön! Dann steigen wir doch gleich ein! Wie siehst du die aktuellen Regelungen zum Urheberrecht im digitalen Zeitalter? Sind sie noch zeitgemäß? Und welche Herausforderungen bringt das Urheberrecht speziell für Künstliche Intelligenz mit sich?

Eine der größten urheberrechtlichen Herausforderungen im Kontext der Künstlichen Intelligenz besteht derzeit darin, dass KI-Modelle mit einer enormen Menge urheberrechtlich geschützter Inhalte – seien es Texte, Bilder, Musik oder Videos – trainiert wurden. Diese Werke bilden, ob beabsichtigt oder nicht, die Grundlage für die generierten Outputs. Das Problem: KI-Modelle sind Blackboxes – wir wissen schlicht nicht genau, welche Inhalte verarbeitet und in welcher Weise kombiniert werden. Erst ab August 2025 verpflichtet die KI-Verordnung dazu, eine detaillierte Dokumentation der Trainingsdaten offenzulegen.
Bis dahin, und wahrscheinlich auch darüber hinaus, bleibt die Nutzung von KI für kreative Projekte eine komplexe Herausforderung: Da die zugrundeliegenden Quellen im Verborgenen bleiben, lässt sich nicht ausschließen, dass bestehende Werke oder Werkteile ohne ausreichende Transformation in KI-generierte Inhalte einfließen. Eine Überprüfung ist aufgrund der schier unermesslichen Datenmengen kaum möglich. Das birgt das Risiko, unbeabsichtigt ein Plagiat zu schaffen – ein Verstoß gegen das Urheberrecht, für den letztlich der Nutzer des KI-Materials haftet. Aufgrund dieses unüberschaubaren Haftungsrisikos verbieten viele Auftraggeber und Arbeitgeber den Einsatz von KI für Auftragsarbeiten.
Diese Gemengelage verdeutlicht das Spannungsverhältnis zwischen dem Nutzen, den der technische Fortschritt für das eigene Arbeiten bringen könnte, und dem Urheberrechtsschutz.

Artwork by Anna-Sophie Berger. Foto © Maria Belova
Foto © ATTYS

Glaubst du, dass die Regulierung von KI eine Innovationsbremse sein kann? Wie lässt sich ein Gleichgewicht zwischen Schutz und Innovation finden? Und welche Art von Regulierung würdest du dir wünschen, um Innovationen im Bereich KI zu fördern?

Die Frage, ob die Regulierung von Künstlicher Intelligenz den technologischen Fortschritt hemmen kann, wird häufig im Zusammenhang mit der europäischen KI-Verordnung diskutiert – vor allem im Vergleich zu vermeintlich weniger reglementierten Märkten. Es stimmt zweifellos, dass übermäßig strikte Regelungen oder ein hohes Maß an Bürokratie Innovationen bremsen können. Dies gilt besonders dann, wenn hohe Compliance-Kosten den Markteintritt für Start-ups erschweren oder kleinere Unternehmen übermäßig belasten.
Gleichzeitig zeigt sich jedoch, dass fehlende Regulierungen ebenfalls erhebliche Risiken bergen: Dazu zählen diskriminierende Ergebnisse, Verletzungen des Datenschutzes oder die unkontrollierte Verbreitung von Desinformationen. Eine kluge Regulierung sollte deshalb auf Transparenz setzen – ein Ansatz, den die KI-Verordnung bereits verfolgt. Transparente Systeme schaffen Vertrauen in die Technologie und fördern deren verantwortungsvolle Nutzung.
Ebenso entscheidend ist der Abbau von algorithmischen Verzerrungen (Bias) durch vielfältige Datensätze und transparente Modelle. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, die Akzeptanz und das Vertrauen in KI-Innovationen zu stärken und gleichzeitig gesellschaftliche wie ethische Standards zu wahren. Für eine innovationsfreundliche Regulierung wäre es wünschenswert, dass klare Regeln vorgegeben werden, die sich an der Risikoeinschätzung orientieren und Spielraum für Experimente lassen, ohne grundlegende Schutzmechanismen zu vernachlässigen.

Was bedeutet der Präzedenzfall des Fotografen aus Hamburg deiner Meinung nach für die Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material im KI-Training?

Der Fall zeigt, wie wichtig Bewusstseinsschaffung und rechtliche Aufklärung ist. Oft täuschen effekthascherische Schlagzeilen über den tatsächlichen Inhalt eines Urteils.
Bevor ich zum Urteil selbst komme, Grundsätzliches: Im Internet frei zugängliche Fotos, Texte, Videos dürfen für das Trainieren von KI-Modellen verwendet werden, außer, der Rechteinhaber macht deutlich, dass er das nicht will. Bei online verfügbaren Werken muss dafür ein so genannter „Nutzungsvorbehalt“ mit maschinenlesbaren Mitteln zugänglich sein. Das bedeutet, dass in den Nutzungsbedingungen einer Webseite oder Metadaten ein Hinweis eingefügt wird, dass bestimmte Werke nicht für das Trainieren von KI-Modellen verwendet werden dürfen.
In dem Fall, den du ansprichst, ging ein Fotograf gegen einen gemeinnützigen Verein vor, der zur Forschung im Bereich künstlicher Intelligenz gegründet wurde. Der Verein hatte für das Training einer KI ein Foto des Fotografen verwendet, das über eine online frei zugängliche Bilddatenbank abrufbar gewesen ist. Zwar hatte die Bilddatenbank in ihren Nutzungsbedingungen darauf hingewiesen, dass die Fotos nicht für automatisierte Programme verwendet werden dürfen. Das LG Hamburg stellte zunächst fest, dass dieser Hinweis einen ausreichenden Nutzungsvorbehalt darstellt. Jedoch bestehen Ausnahmen: Der Verwendung von urheberrechtlich geschützten Inhalten für Forschungszwecke kann beispielsweise nicht widersprochen werden. Und weil der Verein im vorliegenden Fall zum Zweck der Forschung im Bereich künstlicher Intelligenz agierte, traf diese Ausnahme auf ihn zu.

Aus dem Urteil kann aus meiner Sicht für Kreativschaffende Folgendes zusammen gefasst werden:

  1. Sollen die eigenen Werke, die im Internet frei zugänglich sind, nicht für Trainingszwecke verwendet werden, müssen Vorkehrungen in Form von Nutzungsvorbehalten in den Nutzungsbedingungen einer Webseite oder den Metadaten der Werke getroffen werden.
  2. Dem Text- und Datamining für wissenschaftliche Zwecke und durch öffentlich zugängliche Bibliotheken, Museen und Archive kann nicht widersprochen werden. Sollen die eigenen Werke daher auch dafür nicht verwendet werden, sind sie offline zu nehmen.
„Man darf nicht vergessen, dass das Urheberrecht auch die wirtschaftliche Grundlage für kreatives Schaffen bildet.“

Wie siehst du die Möglichkeit, dass Menschen oder Unternehmen der Nutzung ihrer Daten fürs KI-Training widersprechen können?

Ich sehe diese Frage durchaus differenziert. Sie ist eng mit der grundlegenden Debatte über die Existenzberechtigung des Urheberrechts verknüpft. Es gibt tatsächlich Stimmen, die eine vollständige Abschaffung des Urheberrechts fordern. Ihrer Ansicht nach sollten kreative Werke für alle frei zugänglich sein, ohne rechtliche Einschränkungen. Jeder dürfte demnach fremde Werke nach Belieben nutzen, bearbeiten und weiterverarbeiten. Diese Idee findet unter anderem in den sogenannten Creative Commons-Lizenzen Ausdruck und stützt sich auf das Argument, dass kreatives Schaffen stets auf der Wiederverarbeitung bereits existierender Inhalte basiert – und dass gerade durch die freie Nutzung bestehender Werke neue Kreativität gefördert wird.
Im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz klingt diese Perspektive durchaus nachvollziehbar: Je mehr Inhalte zum Training von KI-Modellen verfügbar sind, desto besser können die Ergebnisse werden. Allerdings darf man nicht vergessen, dass das Urheberrecht auch die wirtschaftliche Grundlage für kreatives Schaffen bildet. Viele Kreativschaffende leben davon, ihre Werke durch bezahlte Lizenzen zu vermarkten. In diesem Spannungsfeld verstehe ich den Wunsch nach einem klaren Widerspruchsrecht, das auch gesetzlich verankert ist, um die Nutzung geschützter Inhalte für das Training von KI-Modellen zu untersagen.

Foto © Maria Belova
„Am Ende des Tages gilt daher, was Anwälte gerne sagen: Es kommt auf den Einzelfall an.“

Was macht für dich eine „europäische KI“ aus, im Kontrast zu den USA und China? Welche Werte sollten im Mittelpunkt stehen?

Wir sollten uns im Klaren sein, dass die Herkunft der Trainingsdaten entscheidend dafür ist, welche Werte sich im Output einer Künstlichen Intelligenz widerspiegeln. Wird eine KI überwiegend mit Daten aus den USA oder China trainiert, prägt dies das Modell mit den jeweiligen Normen, Perspektiven und kulturellen Einflüssen dieser Länder.
Aus meiner Sicht ist es deshalb unerlässlich, eigene europäische KI-Modelle zu entwickeln, um die Werte, die uns besonders wichtig sind, zu bewahren und zu stärken. Dazu zählen Demokratie, Vielfalt, Datenschutz, der Schutz der Privatsphäre sowie gesellschaftliches und ökologisches Wohlergehen. Ebenso darf der Erhalt europäischer Sprachen und kultureller Ausdrucksformen nicht ins Hintertreffen geraten. Nur so können wir sicherstellen, dass KI-Lösungen unseren ethischen und gesellschaftlichen Standards gerecht werden.

Wie siehst du die Frage, ob Ergebnisse von KI-Systemen als kreativ gelten und urheberrechtlich geschützt sein sollten? Und sollte das Urheberrecht in Zukunft an die besonderen Herausforderungen von KI-generierten Inhalten angepasst werden?

Tatsächlich fordert die KI auch von uns Juristen ein, Kreativität im urheberrechtlichen Kontext neu zu denken. Fest steht, dass nach geltendem Recht nur ein Mensch Urheber eines geschützten Werkes sein kann. Doch wo beginnt bei der Nutzung von KI menschliche Kreativität, und wo endet sie, wenn die Maschine ihre eigenen „kreativen“ Impulse entfaltet?
Man könnte argumentieren, dass bereits die Auswahl und der Einsatz einer KI sowie die Formulierung von Prompts eine kreative Leistung darstellen. Schließlich erfordert es ein hohes Maß an Vorstellungskraft, die richtigen Fragen zu stellen und die KI zielgerichtet zu steuern. Diese Steuerung könnte durchaus ausreichen, um den KI-generierten Output urheberrechtlich zu schützen. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass KI-Inhalte oft über das hinausgehen, was der Nutzer ursprünglich eingegeben oder erwartet hat. Daraus ergibt sich die zentrale Frage: Ab welchem Punkt überwiegt der Beitrag der KI den des Menschen so stark, dass das Ergebnis nicht mehr als urheberrechtlich geschütztes Werk gelten kann?
Für die rechtliche Bewertung könnten Kriterien wie die Spezifität der Prompts, die Vorhersehbarkeit des Outputs oder das Ausmaß der menschlichen Nachbearbeitung herangezogen werden.
Am Ende des Tages gilt daher, was Anwälte gerne sagen: Es kommt auf den Einzelfall an.

Vielen Dank für das interessante Gespräch, liebe Saskia!

Mehr über Saskia und ihre Arbeit erfährst du hier. 

 

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