Du hast eine Filmproduktionsfirma gegründet, geleitet und geschlossen, jetzt vermittelst du dein Wissen über KI bzw. Kunst. Wie kam es dazu?
2018 arbeitete ich mit einem Dokumentarfilmteam aus Wien und Los Angeles. Kurz vor dem Cambridge-Analytica-Skandal vertiefte ich mich in die Welt des Microtargeting. Der Social-Media-Algorithmus zeigte mir vermehrt, was er dachte, dass mich ‚interessieren‘ würde. Es bestätigten sich meine Befürchtungen, und mein Motto wurde “Tame your algorithm before it forces you”. Seitdem möchte ich meine Erfahrungen teilen und auf die digitale Manipulation aufmerksam machen, die eher zunimmt.
Die Kunst brachte mich schließlich zurück zur KI-Thematik, insbesondere das Werk ‚Edmond de Belamy‘ des Pariser Künstlerkollektivs Obvious. Dieses mit dem Algorithmus des Programmierers Robbie Barrat signierte Kunstwerk erzielte bei einer Auktion über 400.000 Dollar. Die bis heute ungelöste Frage lautet: Können Maschinen uns Menschen als Kunstschaffende ersetzen?
Darauf folgte meine „Phase der Faszination KI“, beginnend mit einem Theaterstück in Bozen, bei dem ich 2019 KI für Projektionen nutzte. Es folgten eine Künstlerresidenz während der Schmiede 2020, der Gewinn des Medienkunstpreises 2021 und das ungestillte Bedürfnis, zu verstehen, was hier vor sich geht.
Der Paradigmenwechsel in der künstlichen Intelligenz ist zweifellos im Gange. KI kann uns realistisch simulieren, aber (noch) nicht ein Bewusstsein entwickeln, vor dem wir uns fürchten sollten.
Bei der künstlichen Intelligenz handelt es sich um eine Technologie, die mittlerweile in der Lage ist, uns sehr realistisch zu simulieren. Das reicht aber (noch) nicht aus, um ein Bewusstsein zu entwickeln, vor dem wir uns fürchten sollten.
„Bei der künstlichen Intelligenz handelt es sich um eine Technologie, die mittlerweile in der Lage ist, uns sehr realistisch zu simulieren. Das reicht aber (noch) nicht aus, um ein Bewusstsein zu entwickeln, vor dem wir uns fürchten sollten.“
Inmitten all dieses digitalen Wandels und deiner Interessen, hatte die Pandemie außerdem große Auswirkungen auf eure Filmproduktionsfirma – wie bist du damit umgegangen?
Um ehrlich zu sein, es war katastrophal. Wir hatten 6 Mitarbeiter:innen.
Bis 2022 waren, Alex Braschel und ich, recht zuversichtlich und wollten noch nicht aufgeben. Doch als Geschäftsführerin konnten wir anhand der Zahlen erkennen, dass es einfach nicht möglich sein würde, die durch die Pandemie verursachten Schäden zu beheben. Um mich abzusichern und die GmbH zu entlasten, suchte ich mir eine zusätzliche Position und wurde als Projektmanagerin Teil des Teams von Martin Distl bei dmLIVE im mStudio der GroupM.
Letztendlich haben wir 2023 die schmerzhafte Entscheidung getroffen, das Büro zu schließen und die GmbH zu liquidieren, um eine Konkurssituation zu vermeiden (relativ untypisch für Österreich ;)).
Der Schritt in die KI war meine Rettung.
Während der Pandemie sah ich, wie Kommunikationstheorien in Echtzeit durchgespielt wurden. Die Flut an Verschwörungstheorien und kritischem Teilen belastete mich. Der Fokus auf KI, NFT und Blockchain wurde meine Flucht. Die Pandemie mag vorbei sein, aber die KI bleibt.
Der frühe Einblick in die Welt der neuen Technologien ermöglichte mir, live am größten Forschungsprojekt der Menschheit teilzunehmen. Der Kurs ‚Business Analytics‘ an der Cambridge University of Law vertiefte meine Einsichten. Die Lockdown-Zeit nutzte ich intensiv, verfolgte KI-Jazz-Improvisationen und startete das KI-Projekt ‚Schiele’s Ghost‘ mit Martin Gasser.
Ich beschäftige mich mit Themen wie der Zulässigkeit z.B. von Remixes und wie man damit umgehen soll, dass ganze Filme z.B. als Screenshots im Midjourney Datensatz verwendet werden; Oder, dass das Drehbuch von Metropolis laut US copyright bereits frei verfügbar ist, in Europa jedoch noch jemand diese Rechte hält in diesem Bereich gibt es viele Grauzonen und so viele offene Fragen, die am besten gemeinsam als Gesellschaft beantwortet werden.
Meine Erlebnisse fließen in Vorträge, Keynotes und Workshops ein, in denen ich Erkenntnisse für Kunst und Kreativwirtschaft teile. Aktuell erforsche ich die Auswirkungen von KI-Tools auf die Filmindustrie. Die Herausforderung: Urheberrechte und Copyrights im Zusammenhang mit dieser Technologie. Die Themen reichen von der Zulässigkeit von Remixes bis zur Nutzung von beispielsweise Filmscreenshots im Midjourney Datensatz. Grauzonen und offene Fragen, die die Gesellschaft gemeinsam beantworten sollte.
Und du selbst, wie gehst du mit diesen offenen Fragen um? “Ich habe den Kaninchenbau betreten, mal sehen, wohin er mich führt“, steht in deiner Bio, wo siehst du gerade die Benefits und wo Unsicherheiten in Bezug auf diese neuen Technologien?
Im Jahr 2021 formulierte ich diesen Satz und heute befinde ich mich noch immer tief im Kaninchenbau. Das vergangene Jahr 2023 war für mich persönlich aufregend und teilweise überwältigend, bedenkt man die rasante Entwicklung in so kurzer Zeit. Das kollektive gesellschaftliche Unwohlsein und der Ruf nach einer KI-Pause oder Regulierung sind mir bestens bekannt, basierend auf der Vorstellung, dass überlegene Roboter die Menschheit überflüssig machen könnten – was dann?
Die Frage nach dem zukünftigen Einfluss von KI in unserer Gesellschaft sehe ich so: Einerseits spielt sie mit der Möglichkeit, uns oder geliebte Menschen in Form von Bots unsterblich zu machen. Andererseits arbeiten wir an Robotern, die in der Lage sind, unseren Haushalt zu führen – eine nützliche Entwicklung oder in Bereichen arbeiten, in denen die menschliche Arbeitskraft knapp ist, wie etwa in der Pflege. Offensichtliches Ziel ist es, diese Roboter menschenähnlicher zu machen und sie in die Lage zu versetzen, mit uns so menschenähnlich wie möglich zu interagieren. Segen und Fluch zugleich. Es klingt dezent dystopisch, wenn man tiefer in diese Thematiken rein denkt.
Abgesehen von der Dystopie, die man nicht ganz ausklammern sollte, faszinieren mich vor allem die kreativen Möglichkeiten der genAI. Die Vorstellung, dass ich eines Tages einen Film genau so gestalten könnte, wie ich ihn mir vorstelle, reizt mich besonders. In meinem kreativen Prozess bin ich gerne die einsame Eule, die bis tief in der Nacht arbeitet. Stille und Konzentration sind für mich magisch, und in der Kunst muss ich oft allein sein, um in diesen kreativen Prozess eintauchen zu können.
Mit einem ChatBot kann ich bis vier Uhr morgens immer wieder die gleiche Frage stellen, an Texten arbeiten und sie verfeinern, bis ich vollkommen zufrieden bin.
Während ich also darauf warte, dass ich meine Filmideen mit Hilfe von KI-Tools alleine umsetzen kann, lerne ich bereits, wie ich diese Tools im kreativen Prozess einsetzen kann und erforsche die Grenzen des derzeit Machbaren. Es ist erstaunlich, was damit schon möglich ist.
Ich persönlich sehe in dieser Entwicklung eine große Chance! genAI sind Werkzeuge, die wir nutzen können, um Geschichten zu erzählen und unsere kreativen Visionen im kreativen Prozess umzusetzen.
„Einem ChatBot kann ich bis vier Uhr morgens immer wieder die gleiche Frage stellen, an Texten arbeiten und sie verfeinern, bis ich vollkommen zufrieden bin.“
Lass uns hier gleich anknüpfen bei der großen Chance dieser Werkzeuge, denn “am Ende des Tages geht es immer um Storytelling” sagst du selbst. Selbst wenn das so ist, ändern sich Geschichten ja, wenn sie kein Mensch erzählt, oder?
Wenn wir genAI als Werkzeuge betrachten, vergleichbar mit der ständigen Verfügbarkeit einer Filmkamera in unseren Smartphones, sehen wir, dass die Flut neuer Kinofilme nicht sprunghaft angestiegen ist. Das Erschaffen eines Films bleibt ein langwieriger Prozess, getragen von Detailverliebtheit, Ausdauer und Expertise. Die wahre Magie liegt im Detail, und eine gute Geschichte filmisch zu erzählen, beansprucht Zeit.
Bei KI-Einsatz müssen wir das Ergebnis aktiv bewerten, überarbeiten und verfeinern, bis es unseren Ansprüchen genügt. Der aktuelle Stand zeigt, dass KI ohne menschliche Intervention wenig bewirkt. Automatisierungen müssen (noch) von Menschen aktiviert werden, und in einigen Fake News sind noch erkennbare Fehler. Es geht nichts über den Finalen-Proof. Also auch wenn man diese Tools einsetzt, muss man, wenn man auf inhaltliche Qualität Wert legt, das Ergebnis prüfen.
Fakes erkennen ist das eine, aber die andere Frage nach der Kreativität bleibt: Könnte KI eines Tages Geschichten nach unserem Geschmack schreiben?
Jede Geschichte braucht ein:e Autor:in, Übermittler:in und Empfänger:in. Die Art der Vermittlung durch Bilder, Bücher, Hörbücher oder Musik muss genau überlegt sein. Letztendlich entscheiden Nutzer:innen, wie und wo die Geschichte konsumiert wird.
Beispiel Netflix: Der Algorithmus versucht zu erraten, für welche Themen ich mich interessiere und schlägt entsprechende Filme vor. Aber meine Interessen ändern sich, und die On-Demand-Suche wird oft zu einer mühsamen Kompromisssuche. Trotz der “ORF Haushaltsabgabe” (ehem. GIS) werden viele von uns nicht zum linearen Fernsehen zurückkehren, wo andere für uns auswählen. Momentan sind wir noch den Algorithmen der On-Demand- und Social-Media-Plattformen ausgeliefert.
Diese Überlegung führt zu einer tieferen, kritischen Reflexion: Wie viele Filme kenne ich, ohne die Drehbuchautoren zu wissen? Und spielt das eine Rolle? Diese Frage zeigt eine gewisse Ignoranz meinerseits oder spiegelt einen gesellschaftlichen Tenor wider.
Die Marketing-Welt arbeitet an Entwicklungen wie behavioral- oder predictive targeting, und das wird höchstwahrscheinlich auch im Storytelling Einzug halten. Technologien gehen in Richtung maßgeschneiderter Inhalte.
Zusammengefasst: KI hat das Potenzial, uns mit maßgeschneiderten Inhalten zu versorgen, die genau auf unsere Vorlieben zugeschnitten sind. Avatare, synthetisierte Stimmen und generierte Welten könnten von der Realität kaum zu unterscheiden sein. Doch dieser Vorteil birgt die Gefahr einer Gleichschaltung der Kreativität. Wenn Algorithmen dominieren, besteht die Gefahr, in einem generierten Einheitsbrei zu enden. Besonders prekär ist dies im Super-Wahljahr 2024, wo politische Manipulation und Fake-Informationen zunehmen. Bereits jetzt gibt es unzählige Fake-Informationen und die politische Manipulations-Welle wird uns alle auf die eine oder andere Weise erfassen.
Die generelle Wertschätzung kreativer Berufe steht zur Debatte. Je einfacher die Technik, desto günstiger die Umsetzung. Mit dem Einsatz von KI ändern sich kreative Arbeitstechniken. Ehrliche Anerkennung der Veränderungen ist wichtig, ob wir am Fax festhalten oder mit neuen Technologien effizienter arbeiten.
Trotzdem sollten wir nicht aufhören, uns fragen, wie wir ein Gleichgewicht zwischen technologischer Innovation und der Bewahrung menschlicher Kreativität finden können.
Am Ende bleibt eine meiner Lieblingsfragen: What does it truly mean to be human in the age of machines?
Apropos Menschsein: Nehmen wir Aitana als Beispiel – eine von einer Agentur in Spanien künstlich erschaffene AI „Influencerin“, die auf Social Media viele Follower generiert und damit viel Geld verdient. Hier werden absurde Schönheitsideale gefördert, und die Kennzeichnung verschwimmt – kein Mensch, keine echten Geschichten. Wie siehst du das?
Bevor Aitana auf den Markt kam, stieß ich auf Lil Miquela, aufwendig in 3D gebaut und sogar in einem BMW-Werbespot im Oktober zu sehen. Ihre Instagram-Beschreibung lautet: ’19-jähriger Roboter, lebend in LA‘. Aitana beschreibt sich als ‚Barcelonas digitale Muse auf @theclueless.ai – Powered by AI‘. Die KI-Kennzeichnungen sind da, die Zielgruppe ist klar, und es funktioniert immer noch: “S*x sells”.
Meine Kunstfigur s.myselle ist mein digitaler Zwilling, Avatar und AIfluencer-Projekt. Was passiert, wenn ich die bessere Version von mir digital sehe? Dieser Prozess wirft Fragen zur Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung auf.
Was ich an diesen digitalen Versionen schätze, ist, dass sie mit der narzisstischen Selfie-Industrie konkurrieren. Diese Avatare müssen nicht hungern oder zum Friseur gehen, verursachen keinen CO2-Ausstoß durch Reisen und bringen dennoch Einkommen für die Menschen dahinter. Für mich sind diese Influencer-Avatare Kunstwerke, die Absurdität persiflieren und unsere Gesellschaft spiegeln. Sie lösen notwendige Diskussionen aus.
Vor allem, wie wirklich die digitale Welt ist und wem wir in dieser digitalen Realität glauben sollen. “2016 the internet died”, sagt die Dead Internet Theorie. Gemeint ist, dass automatisch generierte Inhalte, algorithmisch kuratiert von Bots, uns Menschen marginalisieren.
Ende des Tages werden wir viele “Avatare” sehen, die uns auch viele wichtige Dinge erzählen können. Die Relativitätstheorie von Einstein erklärt zu bekommen, finde ich doch sehr ansprechend (lacht).
**Hinweis: Die Bilder dieses Interviews sind mit AI Tools bearbeitet bzw. erstellt worden.