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Vera Steinhäuser ist good at Female Empowerment.

Vera Steinhäuser ist Coachin, Unternehmensberaterin, Podcast-Host, Autorin, ehemalige Geschäftsführerin einer großen Werbeagentur und Spezialistin für Female Empowerment. Und das alles mit Herz und Schmäh. Chapeau! Wie sich die Branche verändert (oder verändern muss), was mit der Welt gerade passiert und wie wir damit umgehen können...das und einiges mehr gibt's hier im Interview!

Vera Steinhäuser

„Wenn in einem Team eine Atmosphäre herrscht, die es jedem Mitglied ermöglicht, die eigene Persönlichkeit voll und ganz auszuleben, sind die besten Ergebnisse garantiert.“

Liebe Vera, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst! Steigen wir mal direkt ein! Du bist ja irrsinnig umtriebig, sowohl mit deinem eigenen persönlichen Coaching-Business, dem Konzept 2WO mit Hannes Sonnberger gemeinsam, Sie&Ich Strategieberatung, deine Lehrtätigkeiten ua in St Pölten, Linz, Wien und Kärnten und der Podcast “Die Machtzentrale”… wow! Was macht dir denn am allermeisten SpaĂź? Oder was liegt dir besonders am Herzen?

Mein Projekt “die Macht Zentrale” ist momentan mein Liebling, da mir meine Mission, Macht neu zu verteilen, ganz besonders wichtig ist. Ich habe in meiner Arbeit als Coachin in den letzten Jahren beobachtet, wie distanziert Frauen vom Thema Macht sind, wie sehr sie sich eigentlich davor fürchten, und das will ich mit meinem Projekt ändern. Denn Macht per se ist nicht problematisch, es kommt vielmehr darauf an, was wir mit ihr machen. Wir müssen auch verstehen, dass sie nicht verschwindet, wenn wir sie ignorieren, sondern dass sie nur ohne uns stattfindet. Das ist wie mit der Kommunikation: “Wir können nicht nicht kommunizieren” (Paul Watzlawick).

Aber natĂĽrlich betrachte ich all meine Arbeit holistisch, alle die von dir genannten Puzzlesteine fĂĽgen sich sehr gut ineinander. Das Gesamtbild macht mich aktuell sehr glĂĽcklich und erfĂĽllt mich.

Foto: Die_Ida

Klingt toll! Lass uns vielleicht kurz zu Anfang zurückgehen und über deinem Werdegang sprechen. In deinem “ersten Leben” warst du ja schon extrem erfolgreich, Mitglied der GF bei BBDO und dann als Managing Directorin bei DDB. Was hat dich dazu bewogen das sein zu lassen und mehr oder weniger nochmal von vorne zu beginnen?

Da waren mehrere Kräfte im Einsatz – Einerseits wollte man nach meiner Babypause nicht mehr, dass ich als Managing Directorin zur DDB zurĂĽckkehre, obwohl das eigentlich so vereinbart war und andererseits habe ich mehr und mehr gespĂĽrt, dass ich ready fĂĽr was eigenes war. Die Geburt meines Sohnes hat einiges an meinem Wertekonzept verändert und meine Perspektive auf das Wesentliche war eine neue. Das habe ich ganz intensiv gespĂĽrt und daher bin ich diesem inneren Ruf nachgegangen.
Nochmals neu zu beginnen war prickelnd, sexy und dennoch hart zugleich. Ich gestehe: Ich mag solche Herausforderungen!

Immer wieder raus aus der Komfortzone, richtig so! Wie hat sich deiner Meinung nach die Branche verändert im Gegensatz zu früher? Wo siehst du Chancen? Der Leidensdruck wächst ja langsam…

Nachdem ich zahlreiche Coachees aus meiner “alten” Branche betreuen darf, sehe ich natürlich sehr genau, was sich wie bewegt und welche Pain Points immer schmerzhafter werden.

Durch Digitalisierung, verändertes Mediennutzungsverhalten, konstante Fragmentierung und einhergehende Spezialisierung der Kommunikationsdisziplin ist es mittlerweile sehr schwierig, dem Kunden ein echt integriertes Angebot zu machen. Die Vertreter der alten Strukturen probieren jedoch weiterhin, das zu tun und versuchen damit auch ihre gewohnten und liebgewonnenen Territorien zu verteidigen. Und das funktioniert einfach nicht mehr. An alten Strukturen festhalten, während draußen der “Wind of Change” weht, war noch nie eine gute Idee.

Für viele “Apparate” und Konstrukte sehe ich tatsächlich gar keine Zukunft. Diejenigen, die jedoch offen sind, sich von Grund auf neu zu erfinden, die bereit sind, auch den unbequemen Weg zu gehen und vielleicht das ein oder andere abzustoßen und aufzugeben, werden am ehesten überleben.

Das glaube ich auch. Was für ein berufliches Umfeld brauchen Menschen aus psychologischer Sicht, um optimal performen zu können?

Es gibt eine fantastische Studie von Google genau dazu, was es braucht, damit Teams high performances liefern können. Dafür wurden mehrere Teams über einen Zeitraum von 5 Jahren beobachtet und deren Arbeitsweisen analysiert. Herausgekommen ist etwas sehr Erstaunliches: Das Sahnehäubchen bezogen auf die Teamleistung liefert die sogenannte “Social Safetiness”. Das bedeutet, wenn in einem Team eine Atmosphäre herrscht, die es jedem Mitglied ermöglicht, die eigene Persönlichkeit voll und ganz auszuleben, sind die besten Ergebnisse garantiert.

Vielleicht klingt das zuerst mal banal, aber wenn wir uns diesbezĂĽglich ehrlich reflektieren und auch unseren FĂĽhrungsstil hinterfragen, sehen wir, dass es einiges dazu braucht, um ein solches Klima zu kultivieren.

“In the past jobs were about muscles, now they’re about brains, but in future they’ll be about the heart.”
Dame Minouche Shafik

Absolut richtig. Wie müssen/müssten Teams denn aufgestellt sein? Und was hältst du von der Trennung von Fach- und Führungskarriere? Gang und Gäbe im englischsprachigen Raum, aber in der  deutschsprachigen Branche höchst selten. Würde in den Agenturen sicher einen riesen Unterschied machen, zumal viele Kreative quasi aufsteigen müssen früher oder später, sonst fällt man hinten runter…

Da möchte ich gern etwas ausholen. Oft werden bis heute gewisse Skills als “hard” und andere wiederum als “soft” bezeichnet. Diese Unterteilung ist dramatisch veraltet bzw. hat sie sich zum Teil komplett umgedreht. Die sogenannten “Soft Skills” gewinnen immer mehr an Bedeutung und mittlerweile haben das auch schon einige verstanden. “Hire for attitude, train for skills” ist ein Motto, das aus dieser Überlegung entsteht. Und damit sind auch die alten, klassischen Karrierewege in Frage zu stellen und gegebenenfalls zu überarbeiten. Die Trennung von Fach- und Leadership-Karriere ist mal ein erster Schritt, hier zu differenzieren. Weitere Ideen zur Diversifizierung werden folgen müssen.

 

Dame Minouche Shafik, Direktorin der London School of Economics and Political Science hat mal gesagt: “In the past jobs were about muscles, now they’re about brains, but in future they’ll be about the heart.” Und so sehe ich das auch. Damit ist auch deine erste Frage beantwortet: Teams brauchen auch viel Herz!

“In der Erziehung der nächsten Generation wird Mädchen nicht mehr eingetrichtert, dass es der beste Weg ist, allen zu gefallen, lieb und brav zu sein.”

Das Zeitalter der Empathie ;) Da die manchmal/oft gefehlt hat, haben in der Vergangenheit viele Menschen die Branche verlassen. Was ist da deine Erfahrung? Was machen die alle jetzt?

Ich glaube direkt danach erholen sie sich mal. Und dann geht für sehr viele eine Sinnsuche los. Die meisten suchen nach etwas, wo sie mehr ihres eigenen Wertekonzeptes realisieren können, denn das kommt in der Werbebranche leider manchmal zu kurz.

Stimmt. Für die Sinnsuche braucht es Reflektion, und das ist oft einfacher mit einem professionellen Gegenüber finde ich. Warum tun sich trotzdem Männer deiner Meinung nach so schwer in Therapie oder zum Coaching zu gehen, im Gegensatz zu Frauen? Und siehst du da eine Veränderung?

Verallgemeinern will ich das nicht. Aber ich weiß schon, was du meinst. Und tatsächlich erkenne ich Muster in meiner Arbeit, die aus den klassischen Rollenbildern stammen, die dem Mann eine starke, nahezu unfehlbare, versorgende und beschützende Aufgabe zuschreiben. Aus dieser Position heraus ist es für viele schwierig, über Probleme, Unsicherheiten, Sorgen etc. zu sprechen. Aber wir machen Fortschritte! Dem Universum sein Dank kommen auch viele Männer in mein Coaching und ich freu mich sehr, dass es einige Männer wagen, aus diesem gesellschaftlichen Korsett auszubrechen.

Super! Wir sind also auf dem “richtigen Weg” ;) a propos: Female Empowerment, dein großes Thema. Was hat sich aus deiner Sicht schon geändert, was muss sich noch ändern?

Im Moment ändert sich gerade einiges. Die Awareness zu dem Thema ist so groß wie noch nie und das ist toll! Aber natürlich ist es noch ein weiter Weg ans Ziel und es braucht noch viel Anstrengung und Engagement von uns allen. Wenn ich einen Wunsch diesbezüglich frei hätte, dann wäre es dieser: “In der Erziehung der nächsten Generation wird Mädchen nicht mehr eingetrichtert, dass es der beste Weg ist, allen zu gefallen, lieb und brav zu sein.”

Was bedeutet Gleichberechtigung fĂĽr dich im Arbeitsleben?

Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt ist, wenn die Arbeit von uns allen in jeglicher Hinsicht gleich bewertet wird, ganz unabhängig davon, welches Geschlecht, Herkunft, Alter, sexuellen Vorlieben, Philosophie usw. unsere Identität bestimmen.

Hattest du je das Gefühl, dich als Frau in einer Höheren Position mehr behaupten zu müssen als zum Beispiel ein Mann in derselben Position?

Ich hatte bisher sehr viel Glück in meinem Leben und dafür bin ich auch sehr dankbar. Ich wurde immer sehr gefördert und hatte tolle Mentor*innen, die sich für mich eingesetzt haben. Interessanterweise erkenne ich erst in den letzten Jahren immer mehr vor allem strukturelle Missstände, die dazu führen, dass ich mich als Frau mehr anstrengen muss.

Was unterscheidet Frauen und Männer in so einer Position aus deiner Sicht?

Dadurch, dass es fĂĽr Frauen wesentlich schwieriger ist, in fĂĽhrende Positionen zu gelangen, ist der Weg dorthin, meiner Beobachtung nach ein bewussterer und es findet mehr Reflexionsarbeit statt.

Spannende Perspektive… hast du in dem Zusammenhang mal selbst einen Rat bekommen, den du als schrecklich empfunden hast?

Ja! Letztes Jahr hat mir ein Vorstand eines Energieunternehmens geraten, ich sollte das Wort “Karriere” vermeiden, denn es mache mich eher unsympathisch. Die ganze Geschichte dazu findest du in meinem Buch „Die Macht Zentrale”, das am 8.3.2023 erscheint.

Ich glaub du hast das mal bei einem Workshop erzählt… unfassbar. Aber das Buch kaufe ich natürlich trotzdem ;)
 
Was sind die häufigsten Fragen und Themen in deinen Coachings? Was beschäftigt die Menschen aktuell am meisten?

Oh, das ist sehr individuell. Es gab während der ersten beiden Pandemie-Jahre einen starken Trend in Richtung Sinnsuche, jedoch sind mittlerweile die Themen wieder ganz breit gefächert. Und das liebe ich an meinem Beruf!

Das glaub’ ich dir. Sehr interessant die Reflektion der aktuellen Weltlage in den Menschen mitzuerleben und auch zu begleiten. Eine Frage hätte ich noch zum Schluss: Wo siehst du die Chancen zwischen den Generationen? Wie wir ja bei der Podiumsdiskussion beim Fair Work gesehen haben, treffen da ja Welten aufeinander…

Der Generationskonflikt wird immer intensiver, was nicht zuletzt auch damit zu tun hat, dass wir als Menschheit immer älter werden. Stellen wir uns mal zum Beispiel einen heute 55-jährigen vor. Wenn es aus verschiedensten Gründen dumm läuft, nimmt er sich zum Beispiel aus der technologischen Entwicklung raus, weil ihn das schlicht und ergreifend nicht mehr interessiert. Wird dieser Mensch zum Beispiel 95 Jahre alt, sprechen wir von 40 Jahren Paralleluniversum. Ich glaube, das wird noch eine Mega-Challenge für unsere Gesellschaft.

Das was wir hier unbedingt brauchen, ist eine gemeinsame Sprache. Denn mit dieser wäre der Austausch zwischen den Generationen enorm fruchtbar. Eigentlich sollten wir es zu Nutze machen, dass wir durch die gesteigerte Lebenserwartung eine Vielfalt an lebenden Generationen in unserer Gesellschaft haben.

 

Schöne Worte zum Abschluss! Vielen Dank für deine Zeit, liebe Vera!

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