Good At Kolumne: Lisa Schmid

Texterin und Konzepterin Lisa Schmid schreibt in ihrer Kolumne über die Höhen und Tiefen der Selbständigkeit. Diesmal über die bipolare Ästhetik des Freelancens und was man tun kann, um kreative Katerstimmung zu vermeiden.
„Wir kommen von drauĂźen – da darf das Abenteuer ruhig noch an den Sohlen kleben, wenn wir eine Agentur betreten.“

Als Freelancer:in arbeitet man entweder auf Hochtouren oder man hat alle Freizeit der Welt, um sich auszumalen, dass einem ab morgen nichts mehr einfällt. Hopp oder drop oder: Wie schafft man es, als Freelancer:in, seine Mitte zu finden?

Ich bin gebucht. Nicht ansprech- und völlig unbrauchbar für all things Freizeit, weil ich mich wieder tagelang bis zur Unkenntlichkeit in Projekte oder Kunden reinfuchse, die es bis gestern noch nicht gab, aber heute mein ganzes Leben bestimmen. Meine Entschlossenheit, zu „liefern“, macht jetzt einen beträchtlichen Teil meiner Persönlichkeit aus. Bis morgen noch, dann ist der Job wieder vorbei. Dann spürt man sich wieder – und merkt auf einmal, wer und was in den letzten Wochen alles zu kurz gekommen ist. Das Konto ist bald wieder aufgefüllt, doch die Batterien sind leer.

Als Freelancer:in steht man oft unter Strom. Ein ewiger Kreislauf aus Akkus auf- und in Form von Geistesblitzen wieder entladen. Wer da nicht aufpasst, verschleiĂźt die Synapsen.

High vom Hustlen

Mich holt die bipolare Ästhetik des Freelancens ja total ab: Ist man gebucht, läuft man auf Hochtouren. “Locked in on the job” und wissend, dass der Zeitraum begrenzt ist, entwickelt man ungeahnte Fähigkeiten und gibt tage- oder wochenlang satte 120 Prozent. Das Leben fühlt sich an wie ein einziges Rufzeichen – doch die Fragen, die sich zwischen Jobs stellen, bleiben dieselben. Stolperstein Feierabend: Ohne eigene Routinen können sich jetzt schnell Orientierungslosigkeit, schlimmstenfalls sogar zarte Selbstzweifel einschleichen. War das vielleicht die letzte Idee? Der letzte Job? In this economy?

Das Freelance-Dasein ist vor allem das: ein da Sein. Ein hier Feuer löschen und dort kurzfristig einspringen. Jeder Job verlangt vollste Präsenz – egal ob remote oder vor Ort. Freelancer:innen holt man oft dann ins Haus, wenn die Hütte brennt. All hands on pitch deck. Der Druck, zu “liefern”, ist enorm. Umso wichtiger ist es, die kreativen Säfte in Wallungen zu halten, um leistungsfähig zu bleiben, wenn’s drauf ankommt.

 

L’art pour l’art

Gerade wir Freelancer:innen sind oft selbst unsere größten Kritiker:innen. Denn Freiberuflichkeit meint nicht frei von Zweifeln, ganz im Gegenteil: Als Freelancer:in fungiert man oft als Personalunion aus Creative, Director, Intern und ja, auch mal Client Service. Kein Wunder, dass sich die Katze da schon mal in den Schwanz beißt. Wer sich dabei selbst nicht im Weg stehen möchte, muss sich bewusst urteilsfreie Zonen schaffen. Freiräume zum Ausprobieren – fernab von Deadlines, Druck und Feedbackschleifen.

Freelancen ist ein Outdoor Job, der eben nicht aufhört, wenn man den Firmenlaptop wieder zuklappt. Um auf Abruf zu kreativen Höchstleistungen auflaufen zu können, macht es Sinn, im Training zu bleiben. Je facettenreicher man seine Freizeit gestaltet, desto mehr Querverweise und Verknüpfungen entstehen im Kopf. Unser größter Schatz ist unser individuelles Repertoire. Es geht darum, intensiv am Leben teilzunehmen – jede:r auf seine eigene, authentische Art –, um seine Erfahrungen wiederum in die kreative Arbeit einfließen zu lassen. Wie ein Trichter, der möglichst viele Eindrücke aus der Welt einfängt und dann kundengerecht wieder ausspuckt.

Haikus statt Hangover

Keine Sorge, seine Komfortzone kann man auch bequem von der Couch aus verlassen. Es geht darum, in Bewegung zu bleiben, und das geht auch im Sitzen. Ich selbst hatte schon immer einen beträchtlichen Journal-Verschleiß, weil ich mich laufend mit neuen Schreibprojekten prompte, die gar nicht zum Lesen geschrieben sind. Kein Publikum, keine Kritiker:innen. Nur meine eigenen Ambitionen, im Tun zu bleiben. Je absurder das Thema, desto besser der Flow. Von Wash-a-Pig bis Wegwerfkunst – wer kreative Hangovers vermeiden möchte, darf das Spielen nicht verlernen.

Als Kreative sollten wir unser Spaß haben ernst nehmen. Wenn Freelancer:innen nicht selbst draufschauen, tut es sonst keiner. Keine Weihnachtsfeiern, keine Pizzaparties, kein Klatsch an der Kaffeemaschine, um den Kopf auszurauchen. BYOBeschäftigungstherapie. Ein ausgeprägter Spieltrieb ist quasi Teil unserer Job-Description; unser letztes Experiment vielleicht der entscheidende Zündstoff für unsere nächste Idee. Wir kommen von draußen – da darf das Abenteuer ruhig noch an den Sohlen kleben, wenn wir eine Agentur betreten.

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